Stihl // Das Krisenjahr 2022 gut gemeistert

Gegenwärtig sieht sich Stihl mit vielen Themen konfrontiert. Drastischer Anstieg der Energiekosten, weltweit gestörte Lieferketten, Ukraine-Krieg sowie gravierende Material-, Kapazitäts- und Personalengpässe erschweren die unternehmerischen Aufgaben. Wie Stihl im Geschäftsjahr 2022 den Rekordumsatz des Vorjahres noch einmal steigern konnte, erläuterte Norbert Pick, Vorstand Marketing und Vertrieb, Ende November 2022 in einem Gespräch mit Rainer Oschütz am Stihl-Stammsitz in Waiblingen/Fellbach.

 

Herr Pick, trotz Corona und des Krieges in der Ukraine erwarten Sie, dass Stihl im ablaufenden Geschäftsjahr 2022 den Rekordumsatz von 2021 weiter steigern konnte. Wie war das möglich?

Norbert Pick: Die Stihl-Gruppe hat bereits im Jahr 2021 nicht nur einen Absatz- und Produktionsrekord erreicht, sondern auch erstmals in der Unternehmensgeschichte die fünf Milliarden Euro Umsatzgrenze überschritten. Das entsprach einem Plus von 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ohne Wechselkurseffekte hätte das Umsatzwachstum sogar 12,3 Prozent betragen. 90 Prozent des Umsatzes erzielte die Unternehmensgruppe im Ausland. Das war möglich – trotz weltweit gestörter Lieferketten sowie gravierender Material-, Kapazitäts- und Personalengpässe – durch eine vorausschauende Planung. Weltweit lief unsere Produktion auf Hochtouren.

Gut gefüllte Lager sowie ein hohes Engagement und Flexibilität der Beschäftigten sorgten für diese Rekordergebnisse. Gegenwärtig verzeichnen wir immer noch Lieferrückstände, die aus dem Abriss der Lieferketten in der Vergangenheit resultieren. Doch wir können diese Rückstände schneller abbauen als geplant. Leider ist eine exakte Vorausschau nicht möglich. Grund dafür ist auch der Krieg in der Ukraine, der die angespannte Liefersituation nicht einfacher macht. Dennoch bin ich sicher, dass wir trotz dieser unsicheren Rahmenbedingungen auch in diesem Jahr weltweit eine weitere Umsatzsteigerung erwarten können. Konkretisieren lässt sich das jedoch erst zu unserer Bilanz-Pressekonferenz im April 2023.

 

Wie hat sich das Stihl-Akku-System entwickelt?

Norbert Pick: Stihl bietet heute ein sehr breites Akku-Segment an. Wir haben 2009 angefangen, die ersten handgetragenen Akku-Produkte in den deutschen Markt einzuführen. Das war die erste akkubetriebene Heckenschere von Stihl. Wir haben uns seinerzeit sehr intensiv darauf vorbereitet, weil ganz viele unserer Endkunden und Händler skeptisch waren. Man kannte die damaligen Akkuprodukte. Es handelte sich dabei meistens um Geräte mit Nickel-Cadmium-Batterien, die nach einer gewissen Einsatzzeit an einem Memory-Effekt krankten und sich dann nicht mehr aufladen ließen. Um den Markt von unseren Produkten zu überzeugen, starteten wir damals eine großangelegte Marketing-Kampagne und stellten Profis im Garten- und Landschaftsbau Geräte zur Verfügung, mit der Option, sie zu testen und dann zu erwerben oder zurückzugeben.

Diese Aktion war sehr erfolgreich, der Rücklauf verschwindend gering, denn die Qualität der Geräte und vielmehr der Lithium-Ionen-Akkus überzeugte. Inzwischen produzieren wir ein sehr großes Sortiment vor allem im Profibereich und decken damit ein breites Anwendungsspektrum ab. Hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren eine Palette von Akku-Produkten für Privatanwender. Ganz im Fokus stand dabei für uns die Laufzeit der Akkus und ebenso, dass wir unseren Kunden Lösungen für das Nachladen der Akkus bieten können, ob zuhause, in der Werkstatt oder am Einsatzort. Mit der stetigen Entwicklung dieser Technologie gibt es immer mehr Anwendungsmöglichkeiten.

Angefangen haben wir damals mit dem Akku AP 80, heute ist es der Akku-Pack Stihl AP 500 S, wobei die Zahlen in der Produktbezeichnung durchaus die Zunahme des Energieinhalts bei gleichem Bauvolumen verdeutlichen. Dank der innovativen Power-Laminat-Technologie besticht der neueste Akku durch seine außergewöhnliche Leistungsfähigkeit bei niedrigem Gewicht. Mittlerweile sind wir damit bei einer Größenordnung von drei Kilowatt Leistung angekommen. Das hat bisher nur unser mittleres Benzinsegment erreicht. Zudem weist der AP 500 S mehr als die doppelte Anzahl möglicher Ladezyklen auf, was seine Lebensdauer im Vergleich zu herkömmlichen Li-Ionen-Akkus deutlich erhöht.

 

Das Stihl AP-Akkusystem für Profis fand zu den Messen große Beachtung …

Norbert Pick: … nicht nur dort. Das System umfasst inzwischen über ein Dutzend verschiedene Anwendungen mit mehr als 30 Geräten. Hervorheben möchte ich die Stihl MSA 300, die seit Mitte März 2022 auf dem Markt ist. Sie ist derzeit die weltweit leistungsstärkste Akku-Motorsäge am Markt. Ihr enormes Leistungsangebot eröffnet eine neue Dimension bei Sägearbeiten in lärmsensiblen Bereichen. Das Einsatzspektrum reicht vom punktuellen Fällen, Entasten und Absägen mittelstarker Bäume bis zum Bauen mit Holz. Dabei erfüllt die Maschine die hohen Anforderungen professioneller Anwenderinnen und Anwender im Garten- und Landschaftsbau, in Kommunen und ebenso im Forst. Für den Betrieb der MSA 300 wurde eigens der neue Akku-Pack AP 500 S entwickelt.

 

Welchen Einfluss hat der Krieg in der Ukraine auf die Handelstätigkeit Ihres Unternehmens in dieser Region?

Norbert Pick: Wir verurteilen den Überfall Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste. Am 25. Februar 2022, einen Tag nach Beginn des Krieges, haben wir sofort reagiert, einen Krisenstab eingerichtet und die Lieferung von Fertiggeräten nach Russland gestoppt. Seitdem sind wir im ständigen Kontakt mit den Mitarbeitern unserer Vertriebsgesellschaft in Kiew. Die Stihl-Mannschaft vor Ort leistet eine unglaubliche Arbeit. Zeitweise hat sie ihren Standort in die weniger bedrohte Westukraine nahe der ungarischen Grenze verlagert, um weiterhin den Vertrieb unserer Erzeugnisse und Ersatzteile aufrecht erhalten zu können.

Die Wiederaufnahme der Arbeit erfolgte auch auf Wunsch unserer Beschäftigten in der Ukraine und ist für jeden einzelnen freiwillig. Die Sicherheit unserer Beschäftigten hat stets absoluten Vorrang. Unsere ukrainischen Fachhändler und Mitarbeiter haben eine große Solidarität der umliegenden Stihl-Händler erfahren. Sie haben für Flüchtlinge Quartiere in Ungarn zur Verfügung gestellt und für die Familien Patenschaften gebildet. Das ging schneller und besser als jede staatliche Unterstützung. Da hat sich die Verbundenheit der Stihl-Vertriebsorganisation weltweit mit unseren Fachhändlern in beeindruckender Weise gezeigt.

Wir haben auch Mitarbeiter aus der Ukraine in unserem Stammhaus aufgenommen, die ihre Tätigkeit an verschiedenen Stellen, unter anderem in der Buchhaltung, fortgesetzt haben. In den von russischen Truppen befreiten Gebieten nahmen unsere Fachhändler ihre Geschäfte wieder auf. Wir haben Warenströme über Rumänien und Ungarn umgeleitet, da der Zugang über das Schwarze Meer nicht möglich ist.

 

Stihl ist weltweit gut aufgestellt …

Norbert Pick: Ja, das ist richtig. Stihl hat weltweit 42 eigene Vertriebs- und Marketinggesellschaften. In den entsprechenden Regionen können wir auf hohe Marktanteile verweisen. Bei intakten Lieferketten hätten wir im ablaufenden Geschäftsjahr noch deutlich mehr Geräte verkaufen können. Nach wie vor ist die weltweite Nachfrage nach Stihl Produkten sehr hoch. Und natürlich gibt es noch Wachstumsregionen. Dazu zählt der afrikanische Kontinent. Bisher hat Afrika mit seinen 54 Staaten bei uns einen Absatzanteil in einem niedrigen einstelligen Bereich. Hier ist noch erhebliches Potenzial vorhanden.

Wir haben seit 25 Jahren eine eigene erfolgreich arbeitende Vertriebsgesellschaft in Südafrika. Seit August gibt es eine zweite Stihl-Vertretung auf dem Kontinent, in Kenia. Von dort aus werden wir auch in den ostafrikanischen Nachbarländern wie Tansania, Uganda, Ruanda und weiteren den Markt  bearbeiten. Das wird ein weiterer Schwerpunkt unserer Afrikastrategie sein. Darüber hinaus eröffneten wir in Westafrika an der Elfenbeinküste in Abidjan in diesem Jahr eine Marketinggesellschaft, das ist meist der Vorläufer einer eigenen Vertriebsgesellschaft. Wir koordinieren dort die Arbeit unserer Importeure. Ein kleines Stihl-Team bildet diese vor Ort aus. In den nächsten Jahren planen wir,  weitere Marketinggesellschaften in Afrika zu gründen, um nahe am Markt zu sein. Denn Afrika wird Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 auf etwa über zwei Milliarden Einwohner anwachsen. Diese Menschen müssen ernährt werden.

Heute ist es so, dass auf dem afrikanischen Erdteil etwa 85 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen von Kleinbauern bearbeitet werden. Da sehen wir in den nächsten Jahrzehnten erhebliches Potenzial, diese Entwicklung mit unseren Produkten zu begleiten. Wir haben dafür auch sogenannte Schwellenmarktprodukte – das sind keine Billigprodukte! – entwickelt, die auf die Anwender abgestimmt sind. Sie sollen unter anderem bei der Unkrautbekämpfung, beim Bau von Bewässerungsanlagen oder beim Pflanzenanbau in diesen Regionen zum Einsatz kommen. Dafür haben wir in den letzten Jahren einiges auf den Markt gebracht und noch eine Menge in der ‚Pipeline‘, um diese Strukturen zu stärken. Diese Entwicklung geht nicht von heute auf morgen. Dafür muss man langfristig denken, um Erfolg zu haben. Als Familienunternehmen sieht Stihl das als ein großes Handlungsfeld für die Zukunft. Darauf ist unsere Strategie ausgerichtet.

 

Die Nachfrage nach Geräten für Haus und Garten, so hört man in der Branche, ist weiterhin groß. Das gilt sicherlich auch für Profikunden. Kann Stihl die Wünsche des Fachhandels erfüllen?

Norbert Pick: Ich bin sehr dankbar für diese Frage. Der Fachhandel ist und bleibt das Rückgrat unseres Vertriebssystems. Dafür gelten bei Stihl wesentliche Kriterien. Nur durch die Beratung durch den Fachhandel geschieht die richtige Auswahl der Produkte. Mit dieser Beratung wollen wir sicherstellen, dass der Kunde ein optimales Erlebnis mit unseren Produkten hat. Dazu gehören auch die Einweisung für eine sichere Anwendung der Geräte, um Unfälle und Fehlbedienungen zu vermeiden. Der Fachhandel ist prädestiniert, diese Themen zu übernehmen. Dazu zählt ebenfalls die Beratung über eine richtige Schutzausrüstung wie Schnittschutzkleidung, Handschuhe, Gehörschutz, Helme, Schutzbrillen und vieles mehr, damit der Kunde möglichst sicher arbeiten kann. Natürlich ist es möglich, den Kunden diese Themen auch online durch entsprechende Produktberater zu vermitteln. Das ist aber nur eine ergänzende Maßnahme die eine persönliche Ansprache durch den Fachhandel nicht ersetzen kann.

Ein weiterer entscheidender Punkt ist: Stihl stellt keine Wegwerfprodukte her. Unsere Geräte sind reparaturfähig und können damit in ihrer Lebensdauer nachhaltig verlängert werden – wenn man will, beinahe beliebig lang. Wir bieten Ersatzteile auch noch nach Jahrzehnten an. Das gilt auch nach Auslauf der Produkte. Damit sind Stihl Erzeugnisse sehr lange nachhaltig. Dies zu gewährleisten geht nur über den Fachhandel, der dabei eine entscheidende Rolle spielt.

 

Welche Bedeutung hat der E-Commerce für Stihl?

Norbert Pick: Wir wollen die Anforderungen unserer Kunden auch im E-Commerce erfüllen. Wie wichtig das ist, zeigt die Tatsache, dass heute je nach Markt etwa ein Drittel unserer Akku-Produkte online gekauft werden. Auch Profis kaufen auf diesem Weg ein. Das heißt nicht, dass die Ware dann nur verschickt wird. Der Kunde kann sie auch beim Händler abholen und somit eine Stihl-gerechte Übergabe und Einweisung erhalten. Uns war beim Online-Verkauf von Anfang an wichtig, den Fachhandel mit einzubinden.

Der Kunde hat jetzt die Möglichkeit, aus dem gesamten Sortiment auszuwählen. Wobei im Moment in manchen Fällen noch die durch die Pandemie aufgetretenen Lieferengpässe das limitierende Element sind. Er kann sich entscheiden, sich die bestellten Produkte nach Hause liefern zu lassen oder beim Händler abzuholen. Die Fachhändler erhalten unabhängig von der Entscheidung der Kunden für Fragen zum Produkt oder für eine Einweisung eine entsprechende Vergütung.

 

Stihl investiert kontinuierlich am Stammsitz des Unternehmens. Ein neues Aushängeschild wird im kommenden Jahr die entstehende Stihl-Markenwelt sein. Was können wir erwarten?

Norbert Pick: Der Stammsitz in Waiblingen wird gegenwärtig modernisiert und erweitert. Damit erhält er zusätzlich moderne Bürokapazitäten. Das ist die eine Neuerung. Außerdem entsteht in dem künftigen Gebäudeensemble die Stihl-Markenwelt. Der Bau ist fast fertiggestellt und wird 2023 eröffnet. Auf insgesamt drei Ebenen mit einer Ausstellungsfläche von je 1.500 Quadratmetern und einer Gesamtfläche von 5.000 Quadratmetern wird die Marke Stihl erlebbar. Dort stehen nicht nur das Unternehmen und seine Produkte im Mittelpunkt, sondern auch ein Thema, das seit der Firmengründung durch Andreas Stihl untrennbar mit der Marke verbunden ist, nämlich die Faszination für die Natur, insbesondere für Wald und Forst. Die Stihl-Markenwelt ist auch ein klares Bekenntnis der Familie Stihl zum Standort Deutschland.

 

Herr Pick, Ende 2022 verlassen Sie das Unternehmen. Welches Fazit ziehen Sie nach Ihrer jahrzehntelangen verantwortungsvollen Tätigkeit?

Norbert Pick: Alles hat seine Zeit. Ich verlasse ein Unternehmen nach über 20 Jahren, das bestens aufgestellt ist. Ich war zehn Jahre als Geschäftsführer für die Vertriebszentrale in Dieburg verantwortlich und dann als Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing im Stammhaus in Waiblingen. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, in einem Familienunternehmen mit langfristigen Perspektiven zu arbeiten. In dieser Zeit wurden Umsatz und Absatz deutlich gesteigert. Wir haben weltweit viele neue Vertriebsgesellschaften gegründet. Das war mir ein großes Anliegen, damit wir vor Ort unsere Fachhändler entwickeln und betreuen können. Somit konnten wir auch unser Sortiment weiter ausbauen. Das Unternehmen ist in einem hervorragenden Zustand. Wir sind unangefochtener Weltmarktführer bei handgetragenen Benzinprodukten und sind auf einem sehr guten Weg in der Transformation zu Akku-Erzeugnissen. Wenn ich zurückblicke, bin ich sehr zufrieden, dass ich an dieser Entwicklung teilhaben durfte.

 

Text: Rainer Oschütz für Treffpunkt.Bau

Bildmaterial: Stihl

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