Bentley Systems – Softwarelösungen, die das Bauen erleichtern

Stuttgart. 1984 gegründet, ist Bentley Systems heute einer der weltweit führenden Anbieter von Softwarelösungen für Ingenieure, Architekten, Geoinformatiker, Bauunternehmer und Anlagenbetreiber. Der amerikanische Software-Hersteller beschäftigt weltweit mehr als 3.800 Mitarbeiter, die einen Jahresumsatz von 700 Millionen US-Dollar in 170 Ländern erwirtschaften. Das Unternehmen hat seit 2014 mehr als eine Milliarde US-Dollar in Forschung, Entwicklung und Akquisitionen investiert. Auf der Intergeo 2019 sprach das Redaktionsteam mit Lutz Bettels, Vice President, Regional Executive Central Europe, über konkrete Lösungen sowie erreichbare Ziele zur umfassenderen Digitalisierung der Baustelle.

 

Herr Bettels, es ist kein Geheimnis, dass die deutsche Baubranche als eher konservativ gilt und der Digitalisierung oft skeptisch gegenübersteht. Weshalb ist die Digitalisierung der Baustelle, Ihrer Meinung nach, ein so bedeutsames Thema?

Lutz Bettels: Das Thema Digitalisierung ist ein allgemeiner Trend und ein großes Thema in allen Industriezweigen, von denen die Baubranche nicht ausgenommen werden darf. Schließlich hängt sie hinsichtlich ihrer Produktivität den anderen Industrien nicht hinterher. Das Thema Digitalisierung ist deshalb so wichtig, weil deutlich mehr Potenzial vorhanden ist, Prozesse zu verbessern und so letztendlich den Erfolg der Unternehmen zu steigern und zu gewährleisten. Die Baubranche ist relativ konservativ und steht der Digitalisierung skeptisch gegenüber. Man sieht jedoch einen eindeutigen Trend in den letzten drei bis fünf Jahren in die gegenteilige Richtung. Angefangen hat dies mit dem Thema „Building Information Modelling“, das seit einigen Jahren auch in Deutschland verstärkt aufkommt. Zunächst fing es bei den Planern an, die – anstatt 2D-Pläne zu zeichnen – intelligente 3D-Modelle erstellten, mit denen sie ihre Planungen besser koordinieren können, wodurch sie schneller zu einem hochwertigen Ergebnis kommen. Der nächste Schritt ist, dass dies auch die bauausführenden Unternehmen auf der Baustelle nutzen, sodass sie neben den klassischen Plänen, die man nach wie vor für den Bau braucht, noch weitere Informationen in Form von Modellen, in Form von Zusatzinformationen erhalten, die sie davor nicht hatten und die es ihnen erlauben, bestimmte Prozesse effizienter zu gestalten. Dies ist mithilfe von digitalen Medien möglich. Es gibt Studien, die besagen, dass Projekte in der Baubranche zu einem sehr großen Teil sowohl über dem Zeitrahmen als auch über dem Budget liegen. Mit den bereits genannten, digitalen Methoden hat man jedoch die Möglichkeit, den Bauausführungsprozess besser zu kontrollieren, indem man 3D-Modelle nimmt, um Mengen zu kontrollieren, die auch wirklich auf der Baustelle verbaut wurden. Man kann sein Nachtragsmanagement effizienter verwalten und die zeitliche Bauablaufplanung besser kontrollieren, indem man visuell plant. Das zweite Thema ist sicherlich das Thema der Informationsvielfalt im Bauausführungsprozess. Eine Herausforderung speziell der deutschen Industrie ist die Kleinteiligkeit. In anderen Ländern gibt es sehr häufig große Baufirmen, die ganzheitlich für das Projekt verantwortlich sind. In Deutschland wird jedoch ein Großteil der Projekte immer noch an einzelne Unternehmen beziehungsweise an mehrere Nachunternehmer vergeben, die wiederum Nachunternehmer haben. In dieser Vielfalt steckt die Herausforderung, die Informationen und die Informationsflüsse zu kontrollieren. Hierbei helfen eine gemeinsame Datenumgebung, Common Data Environment genannt, und andere Technologien, die im Bereich der Digitalisierung der Baubranche angesprochen werden, sicherlich weiter. Geht man noch weiter, gibt es sogar die Möglichkeit, diese digitalen Modelle, die mithilfe von Building Information Modelling erstellt werden, mit Livedaten von der Baustelle zu verknüpfen. Das heißt, man kann auch Baufortschritte mithilfe von IoT-Technologie verknüpfen und so einen Echtzeitstatus der Baustelle erhalten, wodurch man natürlich besser und flexibler auf bestimmte Ereignisse im Bauablaufprozess reagieren kann. Und das ist dann, würde ich sagen, die Krone der Digitalisierung, dass man seine Modelle, die man in der Planung und Bauausführung erstellt und pflegt, mit echten Daten von der Baustelle verknüpft und somit letztendlich dann auch den digitalen Zwilling in der Bauausführung erstellt.

 

Bentley Systems bietet Lösungen für alle Infrastruktur-bezogenen Bereiche und ist damit ein entsprechend breit aufgestelltes Unternehmen. Ihre Software-Lösungen kommen beispielsweise bei der Offshore-Strukturanalyse sowie bei der Anlagenplanung zum Einsatz. Für welche Bereiche innerhalb der Bau- und Baumaschinenindustrie stehen Bentley Systems Produkte zur Verfügung?

Lutz Bettels: Bentley Systems ist als Unternehmen mit seinen Lösungen eigentlich in allen Bereichen der Infrastrukturplanung und -ausführung sowie im Infrastrukturbetrieb aufgestellt. Für die Ausführungsunternehmen, also für die Bauindustrie im Allgemeinen und im Speziellen die Bauunternehmung, werden unsere Lösungen eingesetzt, um die Planung bei Beginn der Ausführung vorzuschreiben und die Baudokumentation zu erstellen. Doch auch die Bauunternehmen, die selbst planerisch tätig sind, können mit diesen Softwareprodukten ihre Planung durchführen. Für diese Bauunternehmen ist es jedoch wesentlich wichtiger, alle Projektbeteiligten, also Bauausführungsbeteiligten, nach Unternehmen entsprechend zu steuern, was durch das Informationsmanagement im Bauprozess erfolgt. Hier haben wir für die Baufirmen entsprechende Lösungen, die es ermöglichen, sämtliche Dokumente im Bauausführungsprozess zu verwalten: Angefangen von Leistungsverzeichnissen über die Kalkulation bis hin zu BIM-Modellen und Plänen, die auf die Baustelle geschickt werden. Zudem decken wir die Themen des Planmanagements, des Planlaufs sowie der Jour Fixe Protokolle bis hin zu den Bauabnehmerprotokollen, der gesamten Baudokumentation des Projekts in einer gemeinsamen Datenumgebung, dem Common Data Environment, ab. So ist es möglich, zu jedem Zeitpunkt a) einen Status des Projektablaufes zu bekommen und b) die Dokumentation des Projekts vorzuweisen, wenn der Bauherr oder der Generalunternehmer Fragen zur Projekterstellung hat. Mit dieser Dokumentation kann man den Nachweis führen, was im Projekt gemacht wurde und dass alles richtig gelaufen ist. Dies sind die wesentlichen Lösungen, die Bentley anbietet: Klassisch die planerische Seite, das Thema BIM und natürlich das Thema der Datenverwaltung, das für die Bauausführungsunternehmen fast noch wichtiger ist als die Modelle und die Planungslösungen an sich, welche es zusammen ermöglichen, dass dem Bauherren am Ende des Projektes sehr einfach und sehr gut eine komplette Dokumentation übergeben werden kann. Diese enthält nicht nur Pläne, sondern auch intelligente Modelle, die der Betreiber für den Gebäudebetrieb und die Instandhaltung nutzen kann, was für ihn einen Mehrwert hat. Grund hierfür ist, dass der Bauunternehmer dies in Geld umwandeln kann, weil er hier einen zusätzlichen Service liefert.

 

Mit welchen Produkten kann Bentley Systems Bauunternehmer in ihrem Alltag auf der Baustelle ganz konkret unterstützen?

Lutz Bettels: Beispielsweise kann die klassische Bauunternehmung, die Hochbau macht, auf der planerischen Seite mit unserem Produkt OpenBuildings, unsere Hochbaulösung zum BIM-Planungs-Thema, alle Gewerke des Hochbaus, also Architektur, Tragzeugplanung, TGA-Planung sowie die Elektroplanung, abdecken. Für die Unternehmen, die auch Straßen- und Gleisbau machen, bietet Bentley seine OpenRoads- und OpenRails-Produkte an und für die Ingenieurbauwerke, also sprich Brücken, wäre es OpenBridge. Das sind die wesentlichen Planungstools, die bei Bauunternehmen zum Einsatz kommen. Für Bauprozesse und Bauausführung haben wir zwei Produkte. Das eine ist das Produkt Synchro, mit welchem man Modelle mit dem Bauzeitenplan verknüpfen kann. Dadurch ist es möglich, den zeitlichen Ablauf des Bauzeitenplanes beziehungsweise den Bauablauf hinsichtlich der Baubarkeit zu überprüfen und hinsichtlich der Korrektheit des geplanten Bauablaufs. Durch das Vorschreiben des Bauzeitenplans kann man – wiederum sehr stark grafisch orientiert – im 3D-Modell eine Baufortschrittskontrolle durchführen. Dies betrifft das Thema 4D- und 5D-Planung, welches in aller Munde ist und über das reine BIM-Plaunungs-Thema hinausgeht. Das Produkt, mit dem man diese 4D-Planung dann auch realisieren kann, ist Synchro.

 

Eines der Hauptthemen an Ihrem Intergeo-Messestand war der „digitale Zwilling“ (iTwin), eine Weiterentwicklung der BIM-Thematik. Was hat es damit genau auf sich und welche Rolle spielt dabei die Mixed Reality-Brille Microsoft HoloLens?

Lutz Bettels: Das neue Schlagwort, welches das Thema BIM relativ logisch vorschreibt, ist das Thema „Digitaler Zwilling“. Der Digitale Zwilling ist nicht nur auf die Baubranche beschränkt, sondern kommt ursprünglich aus dem Maschinen- beziehungsweise Automobilbau, wo es darum geht, zu dem eigentlichen Produkt, das erstellt wird, ein digitales Abbild zu schaffen, das zu jedem Zeitpunkt das reale Produkt beschreibt, seine Eigenschaften, aber auch seinen Zustand. Und das ist eigentlich das, was auch die Baubranche macht: Man versucht mithilfe des digitalen Zwillings ein Abbild der Realität zu schaffen, das sowohl die Eigenschaften als auch den Zustand des realen Gebäudes, der realen Brücke oder realen Straße beschreibt. Nimmt man das Beispiel der Brücke, stellt sich ganz banal die Frage: Kann man noch darüberfahren oder nicht? Bei Gebäuden geht es darum, in welchem Zustand sich beispielsweise die Beläge und die technischen Einrichtungen wie Heizung und Klimaanlagen befinden. Diese Informationen zum Gebäude stehen einem idealerweise in Echtzeit, aber zumindest sehr zeitnah zur Verfügung. Sie können dazu verwendet werden, ein Gebäude zu betreiben, instand zu halten und auch um zu planen. Doch das Ganze fängt nicht erst dort, sondern schon früher an, nämlich in der Planung und Bauausführung. In der Planungsphase werden bereits die Grundlagen des digitalen Zwillings geschaffen, was bedeutet, dass man in dem digitalen Modell das Gebäude so beschreibt, wie es in Zukunft gebaut werden soll. Der digitale Zwilling ist vorhanden, bevor der physikalische Zwilling da ist. Wenn das Gebäude dann gebaut wurde, ist es möglich, einen Abgleich zwischen Plan und Realität zu machen. Diese Grundplanung wird verwendet, um Informationen über den gesamten Lebenszyklus vorzuschreiben. Das ist im Wesentlichen das, was der digitale Zwilling macht. Er sammelt sämtliche Planungsinformationen, sämtliche Informationen während der Bauausführung, während derer er entsteht, sowohl digital als auch physikalisch. Bei der Fertigstellung des Projektes wird dieser digitale Zwilling dann genutzt, um ihn im Betrieb weiterzuverwenden und dort über den Lebenszyklus hinweg sämtliche Daten einzupflegen. Hierfür benötigt man eine Technologie, die es erlaubt, sämtliche Daten, die im Planungs- und Bauausführungsprozess entstehen, zu sammeln, zu aggregieren und jedem, der sie im Projekt benötigt, zur Verfügung zu stellen. So können dann auch letztendlich im Gebäudebetrieb weiterhin sämtliche Datenquellen integriert werden, die in der Regel Datenbanken sind. Die Technologie, die Bentley hierfür zur Verfügung stellt, ist iTwin, ein Cloudservice, der es erlaubt, Daten aus verschiedenen Datenquellen in einen gemeinsamen Zwilling zu aggregieren, diese Daten zu konsolidieren und zu vereinheitlichen, sodass sie für alle einheitlich lesbar sind. Zudem können über diesen Cloudservice alle auf diese Daten zugreifen, entweder durch Bentley-eigene Applikationen oder mit einem entsprechenden Software-Development-Kit, den wir als OpenSource jedem zur Verfügung stellen. Auf diese Weise kann selbst die Integration, die Bentley nicht selbst vornehmen kann, von Drittanbietern oder anderen Unternehmen übernommen werden und zwar kostenfrei als OpenSource. Damit kann sichergestellt werden, dass jeder Zugriff auf diese Daten des digitalen Zwillings gesichert wird. Wenn dieser digitale Zwilling vorliegt, dann möchte man ihn auch möglichst vielen zur Verfügung stellen, und zwar häufig auch Entscheidern, die aber nicht unbedingt vom Fach sind. Aus diesem Grund spielt eine entsprechende Präsentation der Informationen eine wesentliche Rolle. Denn indem die Komplexität eines Bauprojektes in einer Einfachheit präsentiert wird, können sich auch diejenigen, die nicht vom Fach sind, eine Meinung bilden und Entscheidungen treffen. In diesem Zusammenhang spielt das Thema Mixed Reality eine wesentliche Rolle, weil Menschen häufig Informationen, die grafisch präsentiert werden, besser verarbeiten können als lange Texte und Listen. Man hat die Möglichkeit, komplexe Zusammenhänge in einem grafischen Kontext zu präsentieren. Das Computermodell, das vorliegt, kann mit der Realität gemischt werden. Dadurch, dass die Daten, die in der Planung entstehen, bioreferenziert sind (Das bedeutet, dass man weiß, wo sie sich in der realen Welt befinden), können die entsprechenden 3D-Modelle an die richtige Stelle in der realen Welt projiziert werden. Mit der Microsoft Holo-Lens können also beide Welten miteinander verknüpft werden, das heißt, ich sehe die reale Welt und darübergelegt das Modell, wodurch man zu dem Modell zusätzliche Informationen abrufen kann, die es einem erlauben, Informationen abzufragen und bestimmte Projektentscheidungen zu treffen, indem man sich sozusagen virtuell in dem Modell bewegt, als würde es in der Realität existieren.

 

Text: Christine Vogl-Kordick & Gloria Schaffarczyk

Fotos: Bentley Systems

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