Oldenburger Rohrleitungsforum – Für eine erfolgreiche Energiewende

Oldenburg. Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und vor allem der Schlüssel zu einer erfolgreichen Energiewende – grüner Wasserstoff heißt eine „Zauberformel“. So stand die Kopplung von bestehenden Energiesektoren – insbesondere unter Verwendung der Power-to-Gas-Technologie und Verbindung der Gas- und Strominfrastruktur folgerichtig auf der Tagungsordnung des 34. Oldenburger Rohrleitungsforums.

Wie wichtig dieses Thema – trotz aktuellem Coronavirus – ist, bestätigte kürzlich eine Mitteilung der Bundesregierung. So soll künftig der Einsatz von Wasserstoff durch niedrige Preise konkurrenzfähig werden. Man wolle prüfen, „ob zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendeter Strom weitgehend von Steuern, Abgaben und Umlagen befreit werden kann“. (Eine Zustimmung des Kabinetts lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.) Die traditionelle Pressekonferenz während des Rohrleitungsforums hatte zu diesem aktuellen Thema eine Expertenrunde eingeladen, die sich einig war, dass es bei der von Politkern bis 2050 angekündigten vollumfänglichen Einführung einer Wasserstoffwirtschaft noch erhebliche Hürden zu überwinden gelte. Bis dahin sei es Ziel, die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Um das zu erreichen, sollen das Gasnetz und insbesondere der Wasserstoff eine bedeutende Rolle spielen, hofft die Bundesregierung. Bereits im Oktober 2019 stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen aus dem „Dialogprozess Gas 2030“ vor. Dieser war im Dezember 2018 offiziell gestartet worden, um mittelund langfristige Nutzungsperspektiven des Energieträgers und der Gasinfrastruktur zu erörtern. Laut Altmaier wird Erdgas als Brückentechnologie noch bis 2030 integraler Bestandteil des Energiesystems bleiben. Danach würde der Pfad in die Wasserstoffwelt beginnen und Wasserstoff ein Schlüsselrohstoff für die Energiewende werden, so die Prognose des Ministers.

 

Ausbau der Netze vorantreiben

„Dass diese Themen hier in dieser Breite und Detailtiefe angesprochen werden, zeigt, welchen Stellenwert Wasserstoff in den Augen der Ingenieure hat, wie wichtig er für die Energieversorgung der Zukunft sein wird und wie wichtig es ist, dass es Foren gibt, bei denen die unterschiedlichen Fachleute zusammenkommen und sich austauschen können“, betonte Dr.-Ing. Manfred Veenker, Dr.-Ing. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH, Hannover. Zur Pressekonferenz waren sich die Experten einig: Wenn die Energiewende gelingen soll, gelte es auch, den Ausbau der Gasnetze voranzutreiben. „Zumindest für die nächsten drei Jahrzehnte ist Gas – möglicherweise sukzessive ersetzt durch „grünes“ Gas – aus sicheren Energieversorgungskonzepten nicht wegzudenken“, erläuterte Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg. Ob dann eine eigene Wasserstoffinfrastruktur nötig sei oder die vorhandene Erdgasinfrastruktur genutzt werden kann, gehöre zu den wichtigsten Fragen, die es zu klären gelte, so die Fachleute. Reine Wasserstoffnetze würden schon seit Jahren in Deutschland betrieben, diese machten aber langfristig wohl nur einen kleinen Teil der gesamten Wasserstoffinfrastruktur aus. Viel diskussionswürdiger und erfolgversprechender scheint deshalb der Ansatz der Einspeisung von Wasserstoff in die vorhandenen Erdgasnetze zu sein. Netzseitig seien derzeit zehn Prozent Wasserstoffzumischung in Erdgasnetzen zulässig. Das sei wohl ausbaubar, ebenso wie das vorhandene Regelwerk, das an die neuen Rahmenbedingungen noch angepasst werden muss.

 

Rückgrat der Energiewende

Die Bedeutung des Erdgasnetzes hebt auch Dr. Arnd Schmücker, Open Grid Europe GmbH, Integrität – Leiter Gastechnik/Sicherheit, Essen, hervor. Das Erdgasnetz transportiere heute doppelt so viel Energie wie das Stromnetz und vorbehaltlich einer bis dato nicht erkennbaren erheblichen Effizienzsteigerung werde der Energiebedarf in der vielfach unterstellten Weise auch nicht sinken. Die Gasanwendungen würden weiterhin Bestand haben, sodass beide Netze erforderlich bleiben. Damit stelle das Gasnetz mit seiner erheblichen Energiespeicherfähigkeit und der dadurch gegebenen Flexibilität in der Energieversorgung das Rückgrat für die Energiewende dar. „Der Energietransport wird ganz wesentlich über erneuerbare Gase zu realisieren sein“, betonte Dr. Schmücker. Das meint ebenfalls Dr. Dipl. Volksw. Gerrit Volk, Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Bonn. „Gas hat im vierten Quartal 2019 in breit angelegten Prozessen über die zukünftige Verwendung von (Erd-) Gas im Rahmen des Dialogprozesses Gas 2030 und der nationalen Wasserstoffstrategie eine Renaissance erlebt. Vor der bevorstehenden Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes und dem Ausstieg aus der Kohle erinnert man sich (wieder) an die Vorzüge der Gasversorgung“, so Dr. Gerrit.

 

Mobilität im Fokus

Das Thema Mobiliät ist der Arbeitsschwerpunkt von Prof. Dr.-Ing. Rainer Schwerdhelm, Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Fachgebiet Mobilität und Steuerung von Verkehrsströmen. Einsatz von Wasserstoff hat durchaus eine geschichtliche Dimension: Das wohl im Jahr 1839 von Sir William Grove entdeckte Prinzip, wonach sich die Elektrolyse mithilfe einer Brennstoffzelle zur Gewinnung von elektrischem Strom umkehren lässt, wurde laut Prof. Schwerdhelm in den 1960er-Jahren erstmalig bei amerikanischen Raumfahrzeugen praktisch eingesetzt. Hiervon inspiriert, entwickelten General Motors und andere Fahrzeughersteller ab Ende der 1960er-Jahre Brennstoffzellenfahrzeuge, welche allerdings keinen Eingang in den Markt fanden. Wirtschaftlich tragbare Anwendungen der Wasserstoffmobilität ergeben sich für Prof. Schwerdhelm möglicherweise für Transport- und Beförderungseinheiten, welche aufgrund ihrer großen Masse zum Beschleunigen derart große Energiemengen benötigen, dass die zurzeit vorhandene Batterietechnologie damit schlicht überfordert ist. Dies sei im Bereich der Luftfahrt, des Schienenverkehrs, der Schifffahrt und im Güterverkehr der Fall. Hier müsse sich der Wasserstoff allerdings mit grün synthetisierten Kraftstoffen messen. Ebenfalls vorangeschritten sei die Entwicklung großer Straßengüterfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Hier fehle zum Betrieb allerdings ein Tankstellennetz. Fazit der Expertenrunde: Wasserstoff scheint also durchaus den Weg in eine sorgenfreie (Energie-) Zukunft zu weisen. Neben den geschilderten technischen und regulativen Voraussetzungen gilt es aber auch, politische Rahmenbedingungen für die Umsetzung einer zukunftsweisenden Sektorkopplung und für die Entwicklung eines europäischen Verbundsystems zu schaffen. Eine politisch verordnete Energiewende kann nach Meinung vieler Fachleute nur dann zum Erfolg führen, wenn das derzeit noch an überholten Strukturen orientierte Anreizregulierungssystem innovationsfreundlicher wird und den technischen Entwicklungserfordernissen den notwendigen Raum einräumt.

 

 

Text: Rainer Oschütz

Bilder: Rainer Oschütz, IRO/Hauke-Christian Dittrich

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