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Die Bau- und Rohstoffindustrie sowie BVMB stellen ein Gutachten vor: Ist Ausbauasphalt ein Nebenprodukt bzw. Nicht-Abfall?
Kann Ausbauasphalt ein Nebenprodukt = Nicht-Abfall sein? Dieser Frage ging die Kanzlei Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB im Auftrag des vero - Verband der Bau- und Rohstoffindustrie e.V. und der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. nach.
Im Rahmen der Frühjahrssitzung des Sprecherkreises des BVMB-Arbeitskreises Straße/Brücke wurde beschlossen, gemeinsam mit vero ein Gutachten zur Nebenprodukteigenschaft von Ausbauasphalt in Auftrag zu geben. Ausgangspunkt dieses Gutachtens ist das Porr-Urteil des EuGH vom 17.11.2022 (C-238/21), in dem es um den Umgang mit unbelastetem Bodenaushub geht, der seine Abfalleigenschaft verloren hat bzw. diese nicht erhalten hat. Die Verbände vero und BVMB sehen in Bezug auf das „Porr-Urteil“ eine Analogie zwischen Bodenaushub und Ausbauasphalt.
Unbelasteter Ausbauasphalt wird aktuell als Abfall eingestuft, selbst wenn seine Qualität bekannt ist, er sortenrein abgefräst wurde und sogar in gleicher Funktion wiederverwendet wird. Zur Frage des Endes der Abfalleigenschaft von Ausbauasphalt liegen derzeit noch keine gerichtlichen Entscheidungen vor.
Das Gutachten der Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB „Nebenprodukteigenschaft von Ausbauasphalt“ vom 29. Januar 2025 bestätigt, dass Ausbauasphalt der Verwertungsklasse A als Nebenprodukt angesehen werden kann, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 KrWG vorliegen, die aber in der Praxis erfüllbar sein müssten. Straßenausbaustoffe der Verwertungsklasse B und C dagegen beim Ausbau als Abfall anfallen.
Kernaussagen des EuGH-Urteils vom 17.11.2022 in der Rechtssache C-238/21 („Porr Bau“)
- Es beantwortet Fragen zu den Begriffen des Abfalls, des Nebenprodukts und des Endes der Abfalleigenschaft (im Sinne der europäischen Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG (AbfRRL)).
- Nicht jedes ausgehobene Bodenmaterial, das durch eine Baumaßnahme erzeugt wird und nicht wieder vor Ort eingebaut werden kann, sondern extern verwendet werden muss, ist immer Abfall.
- Wenn der Erzeuger schon vor dem Aushub die Qualität des Bodenmaterials bestimmt und dazu eine passende umweltgerechte und rechtmäßige Verwendung organisiert, ist das ausgehobene Bodenmaterial kein Abfall, weil es an einer Entledigung fehlt
- Das ausgehobene Bodenmaterial kann die Nebenprodukt-Voraussetzungen erfüllen.
- Wenn im Einzelfall doch eine Entledigung anzunehmen ist, kann ausgehobenes Bodenmaterial seine Abfalleigenschaft bereits am Ort der Baustelle durch bloße Vorbereitung zur Wiederverwendung – insbesondere durch eine die Wiederverwendung ermöglichende Bestimmung seiner Qualität – verlieren.
Das „Porr-Urteil“ stellt also klar, dass die handelnden Verantwortlichen vor der Erzeugung von Materialien im Zuge von Baumaßnahmen (Rückbau, Abbruch) durch eine frühzeitige Bewertung der Qualität eines Stoffes in Verbindung mit einer vorausschauenden Planung und Organisation der weiteren Verwendung des Materials die Abfalleigenschaft des Materials vermeiden können. Das nun vorliegende Gutachten zur „Nebenprodukteigenschaft von Ausbauasphalt“ kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungsgrundsätze und Argumentationslinien des EuGH im „Porr-Urteil“ auf Ausbauasphalt übertragbar sind.
Die Übertragung der rechtlichen Argumentation des EuGH ermöglicht nach dem vorliegenden Gutachten eine konsistente Qualifizierung von Ausbauasphalt der Verwertungsklasse A gemäß § 4 Abs. 1 KrWG als Nebenprodukt, d. h. kein Abfall, wenn:
- Vor Ausbau: Bestimmung der Qualität.
- Vor Ausbau: Organisation und Dokumentation der Weiterverwendung.
- dieselbe Baustelle oder andere Baustelle.
- eigene Verwendung des Erzeugers, Vertrag oder Markt.
- Zwischenlagerung möglich (solange Menge sicher weiterverwendet wird).
- Behandlung und Einbau des Ausbauasphalts der Verwertungsklasse A nach einschlägigen Regelwerken (RuVA-StB 01, TL AG-StB 09, TL Asphalt-StB 07/13).
- Erfüllung aller übrigen technischen Normen für Asphalt.
Ausbauasphalt gem. § 5 Abs. 1 KrWG: Ende der Abfalleigenschaft noch auf Baustelle erreichbar
Für Ausbaustoffe, die in Ausnahmefällen, insbesondere wegen zunächst nicht hinreichend bekannter umweltchemischer Eigenschaften und damit ungeklärter Wiederverwendungsmöglichkeiten als Abfall anfallen, kommt darüber hinaus das Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft noch auf der Baustelle in Betracht. Dazu ist der Ausbaustoff nach Erzeugung zu untersuchen. Kann er qualitativ der Verwertungsklasse A zugeordnet werden und ist im unmittelbaren Anschluss daran auf der Grundlage dieser Klassifizierung die weitere rechtmäßige, insbesondere umwelt- und gesundheitsverträgliche Verwendung sichergestellt, erreicht der Ausbauasphalt gemäß § 5 Abs. 1 KrWG das Ende der Abfalleigenschaft noch auf der Baustelle, auf der er erzeugt worden ist.
Straßenausbaustoffe der Verwertungsklasse B und C fallen beim Ausbau in der Regel als Abfall an
Ausbaustoffe mit teer-/pechtypischen Bestandteilen der Verwertungsklassen B und C können in der Regel nicht als Nebenprodukt nach § 4 Abs. 1 KrWG qualifiziert werden (mögliche Ausnahme: Verwendung als Deponieersatzbaustoff oder Verwertung im Kaltmischverfahren) und erreichen grundsätzlich auch nicht durch bloße Qualitätsbestimmung das Ende der Abfalleigenschaft auf der Baustelle, auf der der Ausbauasphalt erzeugt worden ist. Diese müssten vor einer Wiederverwendung einer thermischen Behandlung zugeführt werden.
Die Beauftragung des Gutachtens zur Nebenprodukteigenschaft von Ausbauasphalt wurde seitens der Verbände vero und BVMB vor folgenden Hintergründen als sinnvoll erachtet:
- Leitfäden der Länder und Straßenbauverwaltungen interpretieren die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen unterschiedlich und befinden sich dabei nicht immer auf dem aktuellen Stand. Diese enthalten daher unterschiedliche Regelungen zum Umgang mit Ausbauasphalt und dem Status als Abfall oder Produkt.
- Teilweise ist es personenabhängig, wie Behörden mit dem Thema umgehen. Beim Transport und der Verwendung von Ausbauasphalt im Mischgut spielt die Einstufung als Abfall oder Produkt eine entscheidende Rolle.
- Besonders relevant wird die Abfall-/Nicht-Abfalleigenschaft hinsichtlich der Auflagen, die für die Menge an Ausbauasphalt gelten, die im Asphaltmischwerk gelagert werden muss (Stichwort „Sicherheitsleistungen“).
- Abfall unterliegt strengeren rechtlichen Vorschriften.
- Förderung der Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung.
- Wirtschaftliche Attraktivität der Wiederverwendung.
Förderung der Kreislaufwirtschaft und wirtschaftliche Attraktivität
Der Anteil an Ausbauasphalt im neuen Mischgut liegt aktuell bei ca. 30 Prozent. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz fordert, dass auch Straßenausbaustoffe umweltverträglich und möglichst hochwertig verwertet werden, soweit es Verfahren gibt, mit denen dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Bei jeder Straßenerneuerung fällt eine große Menge Ausbauasphalt an. Durch einen hohen Anteil an Ausbauasphalt kann mehr Material wiederverwendet werden und damit ein weiterer Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung geleistet werden.
Eine hohe Wiederverwendungsrate von Ausbauasphalt ist nicht nur aus ökologischer Sicht anzustreben, sondern bringt auch erhebliche ökonomische Vorteile mit sich. Diese unterstützt eine nachhaltigere Bauweise, senkt die Kosten und trägt zur Verringerung der Umweltbelastungen bei. Darüber hinaus werden Deponieraum für Ausbauasphalt geschont und gleichzeitig natürliche Ressourcen wie Gesteinskörnungen und Bitumen eingespart. Der geringere Transportbedarf führt bei ortsnaher Wiederverwendung zu geringeren CO₂-Emissionen. Außerdem sinken die Materialbeschaffungs- und die Entsorgungskosten.
Fazit
Das Gutachten zeigt, dass Ausbauasphalt der Verwertungsklasse A bereits auf der Baustelle seine Abfalleigenschaft verlieren kann – vorausgesetzt, er hatte diese überhaupt. Das Gutachten soll dazu beitragen, mehr Klarheit in die Diskussion zu bringen und den Unternehmen eine bessere Argumentationsgrundlage im Umgang mit den Behörden zu bieten.
Die Qualifizierung als Nicht-Abfall bzw. Nebenprodukt könnte die Wiederverwendung fördern. Dies ist von besonderer Bedeutung, da unterschiedliche und zum Teil veraltete Regelungen sowie personenabhängige Interpretationen der Abfall-/Produkt-Einstufung in den Leitfäden der Länder und Straßenbauverwaltungen die Vermarktung und Wiederverwendung von Ausbauasphalt erschweren.
Die hochwertigste Verwertung von Ausbauasphalt in der Asphaltmischgutproduktion (im Heißmischverfahren) ist sowohl rechtlich erforderlich als auch ökologisch, ökonomisch und bautechnisch sinnvoll. Diese ist in Deutschland seit Jahrzehnten Stand der Technik und im Regelwerk für Asphalt verankert. Es gilt die bestehenden Möglichkeiten noch stärker zu nutzen.
Wir möchten das Gutachten mit Bedacht einsetzen, um zu einer Klärung der rechtlichen Fragen beizusteuern und eine nachhaltige, wirtschaftlich sinnvolle Nutzung von Ausbauasphalt zu unterstützen. Dabei wollen wir sicherstellen, dass alle wichtigen Beteiligten informiert sind und in den Austausch einbezogen werden. Gerne unterstützen wir Sie diesbezüglich auch bei Ihren individuellen Projekten.
Barbara Grunewald, M.Sc., Verband der Bau- und Rohstoffindustrie e. V. (vero)
Barbara Grunewald ist am Niederrhein aufgewachsen und hat in den Niederlanden an der Universität Twente Eschede Chemieingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Materialeigenschaften studiert. Sie arbeitete zunächst als Projektleiterin in einer Prüfstelle für Bauprodukte und ist seit Juli 2021 Geschäftsführerin Technik des vero. Dort ist sie unter anderem für die Fachgruppe Recycling-Baustoffe und den Arbeitskreis Asphalt zuständig. vero vertritt die Interessen von rund 700 Unternehmen und Gesellschaften aus allen Zweigen der Baustoff- und Rohstoffindustrie.
Daniel Jonas, M.Eng, Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB)
Daniel Jonas, in Bonn geboren, in Sinzig am Rhein aufgewachsen, hat an der Hochschule Koblenz Bauingenieurwesen studiert. Er arbeitete seit 2013 zunächst in unterschiedlichen Funktionen bei der in Bonn ansässigen Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. Seit 2024 ist er Mitglied der Geschäftsführung des Verbandes. Die BVMB ist seit 1964 die starke Interessenvertretung der mittelständischen Bauwirtschaft in Deutschland. Als bundesweit tätiger, tarifpolitisch ungebundener Wirtschaftsverband setzen wir uns auf politischer Ebene sowie gegenüber Auftraggebern aus allen Baubereichen für die Wirtschafts-, Markt- und Wettbewerbsinteressen unserer Mitgliedsunternehmen ein. Mit über 350.000 Beschäftigten erwirtschaften unsere rund 800 Mitgliedsunternehmen ein jährliches Umsatzvolumen von rund 40 Milliarden Euro. Die Vielfalt unserer Mitglieder – vom spezialisierten Bauunternehmen bis hin zu großen Straßen-, Brücken-, Hoch-, Tief- und Gleisbauern sowie deren Lieferanten – spiegelt das breite Spektrum der deutschen Bauwirtschaft wider. Diese Struktur sichert eine ausgewogene Interessenvertretung und verschafft der BVMB hohe Anerkennung bei politischen Entscheidungsträgern.
Text + Bildmaterial: vero + BVMB
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