MAN // Vom Prototyp zur Serie: E-Lkw nehmen Fahrt auf
Mit dem eTGX und dem eTGS treibt MAN die Umstellung auf elektrifizierte Logistik konsequent voran. Beim eTruck Drive 2025 Anfang Juli präsentierte der Nutzfahrzeughersteller seine aktuelle eTruck-Generation der Fachpresse. Die Veranstaltung nahe des Münchner Flughafens verband die Vorstellung der Fahrzeuge mit Einblicken in Technik, Strategie und Praxis. Manfred Zwick war für Treffpunkt.Bau vor Ort und nutzte die Gelegenheit, sich selbst ein Bild vom Fahrverhalten der elektrischen Schwerlaster zu machen.
Fünf Fahrzeuge in 4x2-Ausführung standen für Probefahrten bereit: zwei eTGX-Sattelzugmaschinen mit Kögel Dry Liner und Krone Cool Liner sowie drei eTGS-Fahrgestelle mit Meiller-Dreiseitenkipper, Schmitz-Kofferaufbau und BDF-Wechselrahmen. Mit dieser Fahrzeugauswahl deckte MAN beim eTruck Drive 2025 eine breite Palette praxisnaher Einsatzmöglichkeiten ab.
Mit hochgesetztem GX-Fahrerhaus und 400 kW Leistung ist der eTGX vor allem für den Fernverkehr ausgelegt. Seine Ultra-Lowliner-Variante erreicht eine Aufsattelhöhe von nur 950 mm und ermöglicht Transporte mit drei Metern Innenladehöhe – ein klarer Vorteil in der Automobillogistik. Ergänzend zur GX-Kabine steht auch die kompaktere GM-Variante zur Verfügung, die auf maximale Reichweite und Effizienz im Fernverkehr ausgelegt ist. Beide Kabinentypen überzeugen durch aerodynamisch optimierte Außenlinien und ein auf Langstrecken ausgelegtes Fahrerumfeld mit hohem Komfortniveau. Der eTGS ist die anpassungsfähige Plattform für den Baustellen- und Verteilerverkehr. Mit wählbarer TM- oder NN-Kabine, kompakten Radständen und aufbaufreundlicher Architektur lässt er sich gezielt für unterschiedlichste Einsätze konfigurieren. Ergänzend bietet MAN mit dem Programm MAN Individual die Möglichkeit, fahrzeugseitige Anpassungen exakt auf den Einsatzzweck abzustimmen.
Modularer Antriebsstrang für hohe Flexibilität
Die neue eTruck-Baureihe basiert auf einem modularen Fahrzeugkonzept mit zentral im Rahmen verbautem Powerpack. Es besteht aus Elektromotor, Inverter und einem zwei- oder vierstufigen Getriebe. Im Gegensatz zur zentralen eAchse erlaubt dieses Layout den Einsatz klassischer Hinterachsen. Das erhöht die Kompatibilität mit bestehenden Achssystemen und eröffnet zusätzliche Konfigurationsmöglichkeiten. Je nach Auslegung leistet die Antriebseinheit bis zu 400 kW (544 PS) und 1.250 Nm Drehmoment. Die maximale Rekuperationsleistung entspricht der Antriebsleistung und bringt insbesondere im Verteilerverkehr mit häufigen Bremsvorgängen spürbare Vorteile.
Aufbauraum und branchenspezifische Lösungen
Ein zentrales Merkmal der neuen Plattform ist der weitgehend erhaltene Aufbau- und Nebenaggregateraum. Die rahmennahe Anordnung der Batterien stellt sicher, dass der Einbauraum für mechanische Nebenabtriebe vollständig nutzbar bleibt. So lassen sich beispielsweise hydraulisch betriebene Kipper, Krane oder Abrollsysteme ohne Einschränkungen integrieren. Ergänzend sind elektrische Abtriebe für stationäre Anwendungen realisierbar, die auf Wunsch auch im Stand betrieben werden können. Die günstige Gewichtsverteilung und der tiefe Schwerpunkt verbessern das Fahrverhalten und erhöhen die Stabilität. Auch bei komplexen Aufbauanforderungen bietet MAN mit dem Individual-Programm vielfältige Optionen zur fahrzeugspezifischen Anpassung in enger Abstimmung mit den Aufbaupartnern.
Batteriekonfigurationen für unterschiedliche Einsatzzwecke
Der modulare Antrieb schafft Flexibilität aber entscheidend für die Reichweite bleibt die Energieversorgung. Als Energiespeicher kommen NMC-Zellen mit hoher Energiedichte zum Einsatz. Je nach Einsatzprofil lassen sich drei bis sieben Module mit je 89 kWh Bruttokapazität kombinieren. Die maximale installierbare Kapazität liegt bei 534 kWh brutto (480 kWh netto). Zwei Batterien sind stets unter dem Fahrerhaus platziert, die übrigen verteilen sich rahmennah entlang des Fahrzeugs. Diese Anordnung verbessert die Gewichtsverteilung, senkt den Schwerpunkt und schafft Raum für Zusatzkomponenten wie Stützen, Pumpen oder Gerätekästen. Ein intelligentes Batteriemanagement überwacht Spannung, Strom, Temperatur und Isolation jeder Zelle in Echtzeit. Es sorgt für thermische Stabilität und sichert die Leistungsfähigkeit bei Kälte oder hoher Belastung. Durch den Verzicht auf unnötige Module kann das Fahrzeuggewicht um bis zu 2,4 t reduziert werden. Das ist vor allem in gewichtssensiblen Segmenten ein wichtiger Vorteil. Die Reichweite variiert je nach Konfiguration und Nutzung und kann bis zu 740 km betragen. Der kleinste verfügbare Radstand beträgt 3,75 m. Doch nicht allein die Speicherkapazität entscheidet über die Alltagstauglichkeit eines eTrucks. Auch die Ladeinfrastruktur muss Schritt halten.
Laden ohne Barrieren
Für die Stromversorgung unterwegs greift MAN auf das Traton Charging Solutions Netzwerk zurück, das aktuell rund 650 Ladepunkte umfasst. Bis Ende 2025 soll diese Zahl auf rund 1.000 steigen. Zusätzlich stehen über die „MAN Charge&Go“ Karte mehr als 15.000 Ladepunkte zur Verfügung. Jeder Standort wird nach eTruck-Kriterien bewertet: „eTruck ready“ bedeutet vollständige Nutzbarkeit, „eTruck limited“ kennzeichnet eingeschränkte Bedingungen. Die Bedienung erfolgt über App oder Karte und ist direkt ins digitale Ökosystem von MAN eingebunden. Die MAN „DriverApp“ zeigt Ladepunkte, Belegung, Ladezustände und Navigationsrouten an. Technisch sind die Fahrzeuge auf Ladeleistungen bis 375 kW (CCS) vorbereitet. Zusätzlich ist das Megawattladen (MCS) bereits ab Verkaufsstart verfügbar: zunächst mit bis zu 750 kW, später über 1 MW. Damit sind Zwischenladungen selbst bei schweren Fahrzeugen während gesetzlicher Pausen realisierbar. Für temporäre Ladelösungen auf Betriebshöfen bietet MAN den mobilen Smart Charging Cube an. Dieser benötigt lediglich einen Stromanschluss zwischen 32 und 125 Ampere, versorgt bis zu vier Ladepunkte mit je 400 kW und kann mit Speicherpaketen zwischen 175 und 1.175 kWh erweitert werden. Um Ladeinfrastruktur und Fahrzeug optimal miteinander zu verbinden, setzt MAN auf digitale Lösungen für die Flottensteuerung.
Digitales Flottenmanagement
Aber auch die digitale Integration in den Betrieb ist essenziell. Zur Unterstützung des elektrifizierten Flottenbetriebs stellt MAN ein umfassendes digitales Toolset bereit. Der „eManager“ ermöglicht es, Ladezeiten zu planen, den Ladezustand zu überwachen und die Vorkonditionierung der Batterie zu steuern. Mit „SmartRoute“ lassen sich Routen unter Berücksichtigung von Topografie, Reichweite und verfügbaren Ladepunkten präzise kalkulieren. Die Anwendung „Perform“ analysiert Verbrauchsdaten sowie das Fahrverhalten und liefert damit die Grundlage für betriebliche Optimierungen. Über MAN Now können Softwaremodule zudem per Over-the-Air-Update ergänzt oder aktualisiert werden. Die digitalen Dienste sind serienmäßig für fünf Jahre verfügbar und besonders hilfreich bei der Integration batterieelektrischer Fahrzeuge in gemischte Flotten. Neben der digitalen Steuerung und Infrastruktur ist für den erfolgreichen Roll-out der eTruck-Baureihe auch eine effiziente und flexible Produktion entscheidend.
eTruck-Fertigung im Stammwerk München
Damit der Roll-out zügig und flächendeckend klappt, fertigt MAN die eTruck-Modelle seit Juni 2025 am Stammwerk in München. Auf einer gemeinsamen Montagelinie entstehen dort Diesel- und Elektrofahrzeuge im gemischten Produktionsverfahren. Die maximale Tageskapazität beträgt rund 100 Fahrzeuge, wobei die Produktionszeit eines eTrucks etwa acht Stunden dauert. Über 5.000 Mitarbeitende wurden speziell für den Umgang mit Hochvolttechnik qualifiziert, und auch die logistischen Abläufe wurden an die Anforderungen der Batterietechnik angepasst. Diese gemeinsame Fertigung ermöglicht es MAN, flexibel auf Nachfrageänderungen zu reagieren. Doch nicht nur bei der Montage, auch bei der Versorgung mit Batterien verfolgt MAN einen eigenständigen Ansatz.
Batterieproduktion in Nürnberg
Parallel zur Fahrzeugfertigung in München entsteht in Nürnberg eine Produktionsstätte für Hochvoltbatterien auf Basis von NMC-Zellen. Rund 250 Millionen Euro investiert MAN in den Aufbau dieser Linie, mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit durch Eigenfertigung deutlich zu erhöhen. Die Module verfügen über ein integriertes Thermomanagement, das Ladeleistung, Lebensdauer und Sicherheit optimiert. MAN gibt für die Batterien eine Nutzungsdauer von bis zu 13 Jahren im Fernverkehr und 15 Jahren im Verteilerverkehr an. Diese Investition in die Batterieproduktion erhöht die Wertschöpfungstiefe und bildet eine zentrale Grundlage für eine nachhaltige Serienfertigung.
Strategische Transformation
Mit der Elektrifizierung seiner Fahrzeugpalette verfolgt MAN eine klare strategische Vision: Bis 2030 sollen batterieelektrische Fahrzeuge rund 50 % des Neufahrzeugabsatzes in Europa ausmachen. Bis 2050 plant das Unternehmen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette klimaneutral zu sein. Aktuell wurden bereits rund 700 eTrucks verkauft, weitere 200 Vorserienfahrzeuge haben im Praxiseinsatz über 2,5 Millionen Kilometer absolviert. Das Einsparpotenzial ist enorm: Eine Flotte von 1.000 eTrucks, betrieben mit Ökostrom, vermeidet jährlich bis zu 80.000 t CO2. Den größten Beitrag zur Emissionsreduktion leistet dabei der Betrieb der Fahrzeuge, sofern Infrastruktur und Alltagstauglichkeit gewährleistet sind. Entscheidend für den Erfolg dieser Strategie bleibt, wie gut sich das Konzept im realen Einsatz bewährt.
Fahrerlebnis im Realtest
Auf der Teststrecke beim Audi Brand Experience Center zeigte sich schließlich die Alltagstauglichkeit des Gesamtkonzeptes der eTruck-Baureihe. Die fünf bereitgestellten Fahrzeuge deckten typische Einsatzprofile ab und demonstrierten ihre Variabilität zwischen Autobahn, Landstraße und leichtem Gelände. Dabei überzeugten die Modelle durch ihr spontanes Ansprechverhalten, die effiziente Rekuperation beim Bremsen sowie das nahezu geräuschlose Fahren. Auch das One-Pedal-Driving ließ sich praxisnah erproben. „Die Fahrzeuge vermitteln bereits heute ein souveränes und einsatzreifes Fahrgefühl“, so Manfred Zwick. Damit erwies sich der eTruck Drive 2025 nicht nur als Produktpräsentation, sondern als überzeugender Nachweis für die Praxistauglichkeit eines konsequent umgesetzten Mobilitätskonzepts.
Text: Gloria Schaffarczyk & Manfred Zwick
Bildmaterial: siehe Bildquelle
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