Messe Karlsruhe // Fünf Forderungen der Baubranche, Abbruch- und Recycling-Wirtschaft an die Politik

Positionspapier aus Anlass der RecyclingAktiv/TiefbauLive

Wir, die unterzeichnenden fünf Branchenverbände, sind Mitglieder des Messebeirates der Messe RecyclingAktiv/TiefbauLive (RATL). Die von uns vertretenen Unternehmen bauen Deutschlands Infrastruktur, sie sind Vorreiter der Kreislaufwirtschaft im Sektor Bau, schleusen gesundheits- und umweltgefährliche Gefahrstoffe aus dem Stoffkreislauf aus und stellen die weiter verwendbaren Baumaterialien und Recyclingprodukte zur Verfügung. Den Eröffnungstag der RATL in der Messe Karlsruhe und die mediale Aufmerksamkeit möchten wir nutzen, um uns mit starker Stimme an die Bundes- und Landespolitik zu wenden. Im Rahmen des heutigen „Wirtschaftspolitischen Frühstücks“ haben wir gemeinsam das Positionspapier „Fünf Forderungen der Baubranche, Abbruch- und Recycling-Wirtschaft an die Politik“ verabschiedet.

Zunächst möchten wir dem Landesministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus dafür danken, dass es die Schirmherrschaft der RATL 2025 übernommen hat. Dass es aber kein sichtbares Zeichen dieser Unterstützung gibt, kann nicht sein sein. Für die Politik sollte es geradezu selbstverständlich sein, Präsenz auf einer Messe zu zeigen, auf der Instrumente zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele oder Automatisierungslösungen als Mittel gegen den Fachkräftemangel präsentiert werden. Die Themen der Messe spiegeln sich in fünf der elf Ministerien Baden-Württembergs wider. Ministerinnen und Minister, Staatssekretäre und weitere Parlamentarier können sich bei einem Messebesuch selbst über innovative Techniken informieren, zudem rückt ihre Anwesenheit die RATL in den Blickpunkt. Und dies wirkt sich – nicht zuletzt – positiv auf die Stimmung von Ausstellenden und damit auch Fachbesucherinnen und Fachbesuchern aus. Wir erwarten künftig mehr Wertschätzung für die deutsche Leitmesse im Bereich Recycling und Tiefbau.

Trotz unterschiedlicher Ausrichtungen und Perspektiven stehen unsere Verbände vor ähnlichen und oft identischen Herausforderungen. Manche gesetzliche Regelungen und behördliche Anordnungen verhindern die Planungssicherheit unserer Mitgliedsunternehmen, verkomplizieren und verteuern Prozesse und wirken sich negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. Dies werden wir im Folgenden ausführen. Wir haben dieses Positionspapier verfasst, um die Missstände zu benennen und die Bundes- und Landespolitik aufzufordern, die Rahmenbedingungen für unsere Branchen dringend praxistauglich auszugestalten.

Entbürokratisierung, Sondervermögen und Vergabe

Die knappen Haushaltsmittel sowie das angekündigte Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK) werden unserer Auffassung nach nur dann sinnvoll eingesetzt, wenn Auftraggebende der öffentlichen Hand wie Bundesländer, Landkreise, Kommunen aber speziell „Die Autobahn GmbH des Bundes“ und „DB InfraGo“ gemeinsam mit der Bauwirtschaft langfristige Planungen erstellen, aus denen zuverlässig die Ausschreibungsund Vergabezeiträume erkennbar sind. Das versetzt die Unternehmen der Branche in die Lage, den Fachkräftebedarf und die notwendigen Investitionen in Maschinen und IT frühzeitig, und damit kostengünstiger, sowie technisch sicher, vorbereiten zu können. Mit der Reduzierung des Beauftragtenwesens zeigt die Bundesregierung ihren Willen zum Abbau überbordender und unnötiger Bürokratie. Dieser Schritt in die richtige Richtung erscheint uns derzeit aber eher als Symbolpolitik. Handlungsbedarf sehen wir auch im Ausschreibungswesen. Finden sich hier vereinzelt Forderungen zu nachhaltigen Baukonzepten, wird bei der Auftragsvergabe in der Regel nach dem niedrigsten Angebotspreis entschieden. Politische Forderungen werden somit nicht umgesetzt. Es ist eine neue Entscheidungskultur in den Verwaltungen vonnöten, in der technisch innovative Lösungen mit großen Zeitvorteilen vor der Vergabe konstruktiv zwischen den Partnern abgewogen
werden.

  • Wir fordern die Einbeziehung unserer Branchen in die Planungen zum SVIK, eine weitere Reduzierung des Beauftragtenwesens und funktionale Ausschreibungen. Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht, Planungs- und Vergabeverfahren beschleunigt werden. Wir setzen uns für die Beibehaltung der Fachlosvergabe ein und erwarten ein gesetzeskonformes Vergabewesen.

Kreislaufwirtschaft, Recycling und Ersatzbaustoffverordnung

Der Koalitionsvertrag widmet der Kreislaufwirtschaft ganze sechs Zeilen und bleibt dabei vage. Immerhin sollen Strategien zur Abfallvermeidung und zum Rezyklateinsatz gestärkt werden. Das angekündigte Eckpunktepapier lässt auf sich warten. Unsere Branchen bieten Recycling- und Verwertungsquoten von bis zu 90 Prozent, werden aber durch Regelwerke wie die Ersatzbaustoffverordnung geradezu daran gehindert, nachhaltig und wirtschaftlich zu agieren. Im Straßenbau spart Asphaltrecycling bei einer 60-prozentigen Recyclingquote 100.000 Tonnen CO2 ein und reduziert den Einsatz von Neubitumen. Dass ausschreibende Stellen explizit die Nutzung von Recyclingmaterial ausschließen, ist ein Skandal. Wenn das SVIK aufgelegt wird, dann ist ein nachhaltiges Beschaffungswesen unabdingbar. Wir weisen darauf hin, dass Sekundärrohstoffe im Wettbewerbsgesetz explizit genannt werden, die Gesetzeslage ist somit eindeutig. Die dezentrale Aufbereitung auf der Baustelle mit mobilen Brechanlagen oder in den regional verfügbaren stationären Aufbereitungsanlagen und das Wiedereinbringen vor Ort senken den Bedarf an Primärrohstoffen und minimieren den Lkw-Verkehr. Es darf zum Beispiel auch nicht länger sein, dass jede Tonne Recyclingmaterial, die nach ErsatzbaustoffV in technische Bauwerke eingebaut wird, dokumentiert werden muss. Dies ist insbesondere für Kleinabnehmer ein großes Problem. Es muss Schluss damit sein, dass Betriebe sich strafbar machen, wenn sie kostbaren Oberboden sieben, um ihn wieder einzubauen.

  • Wir fordern eine Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber zum bevorzugten Einbau von Sekundärbaustoffen sowie eine umfassende Abfallenderegelung, die alle in der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) aufgeführten mineralischen Ersatzbaustoffe (MEB) und alle Materialklassen die Anerkennung als Produkt ermöglicht. Zudem fordern wir eine zeitnahe – noch in 2025 – Novellierung der Ersatzbaustoffverordnung, in der zum Beispiel auch die Ergebnisse des EBVPlanspiels 2.0 vollumfänglich umgesetzt werden.

Arbeitszeitgesetz flexibilisieren

Die unterzeichnenden Verbände bekennen sich zum Arbeitszeitgesetz. Im Gegensatz zu den meisten Wirtschaftszweigen sind viele der in ihren Branchen Beschäftigten allerdings nicht an einen festen Arbeitsplatz gebunden, sondern üben ihre Tätigkeiten an verschiedenen Einsatzorten aus. Hierbei ist es gang und gäbe, das Servicedienstleister - selbst wenn ihr Gewerk kurz vor dem Abschluss steht - nach Erreichen ihrer täglichen Höchstarbeitszeit das Feld räumen müssen, um am nächsten Morgen erneut anzurücken. Dies verursacht weitere Anfahrtskosten, die Kunden verärgern, und es verzögert den Abschluss von Bauprojekten. Noch härter trifft dies Arbeitnehmer auf entfernteren auswärtigen Baustellen, die freitagmittags ihre zulässige Wochenarbeitszeit erreicht haben und das Wochenende in Containern oder Monteurwohnungen verbringen müssen, obwohl sie selbst gerne die Zeit für weitere Arbeit nutzen würden Hier entsteht eine große Unzufriedenheit bei den Arbeitnehmenden. Sie wünschen sich flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Erhöhung ihrer Tages- und
Wochenarbeitszeit.

  • Es geht hier keineswegs um die Einführung sogenannter „Wild-West-Methoden“ oder die Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Im Gegenteil. Wir fordern die Politik auf, sich – unter Beteiligung der Gewerkschaften – dieses Themas anzunehmen. Unsere Branchen benötigen eine anpassungsfähige Tages- und Wochenarbeitszeit. Tarifverträge und das Arbeitszeitgesetz müssen flexibler gestaltet werden. Durch die Erweiterung von Überstundenmöglichkeiten wird auch der Zuverdienst attraktiver.

Maßnahmen gegen existenzbedrohende Brände in der Recyclingwirtschaft

Bei diesem Thema brennt es im wahrsten Sinne des Wortes. Dass in Fahrzeugen von Entsorgern oder auf Recyclinganlagen inzwischen täglich Feuer ausbricht, ist oftmals im Papier- oder Restmüll entsorgten Lithium-Ionen-Batterien und Akkus geschuldet. Es ist anzunehmen, dass die jährlichen Gesamtschäden in der Branche mittlerweile eine Milliarde Euro erreicht haben. Die Auswirkungen sind enorm und bedrohen die Existenz zahlreicher Recyclinganlagen, viele davon auch Teil der kritischen Infrastruktur. Denn aufgrund der hohen Schadenquote wollen kaum noch Versicherer die Risiken abdecken und ziehen sich zurück. Ohne Versicherungsschutz lassen sich die Anlagen jedoch nicht betreiben. Kommt es zu vermehrten Schließungen ist damit auch die Entsorgungssicherheit in Deutschland bedroht. Die Branche investiert hohe Summen in den technischen Brandschutz, dennoch stellt die reine Menge an Fehlwürfen die Unternehmen vor unlösbare Herausforderungen. Die Marktzahlen für Batterien zeigen klar, dass der Anteil an leicht entzündbaren Altbatterien nochmals zunehmen wird und eine gefährliche Entwicklung erst begonnen hat. Noch nie gab es in  Deutschland eine größere Bedrohung der Recyclinginfrastruktur, als durch die Brandproblematik.

  • Es bedarf dringend regulatorischer Gegenmaßnahmen für mehr Prävention in der Sammelkette, insbesondere Maßnahmen, die die produktverantwortlichen Hersteller einbinden, so dass sie endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Denkbar sind die Einführung eines Batteriepfandes und weitere Lösungen, die die Absicherung der Recycling- und Entsorgungswirtschaft im Brandfall gewährleisten. Wir mahnen zudem eine Kennzeichnungspflicht für Batterien und batteriebetriebene Altgeräte an, die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Gefahren bei falscher Entsorgung hinweisen und auch ein Verbot von Einweg E-Zigaretten oder zumindest ein wirksames Pfand hierfür.

Schwertransporte nicht ausbremsen

Ähnlich wie ihre Vorgängerin hat sich die aktuelle Bundesregierung eine wettbewerbsfähige und effiziente Wirtschaft in Verbindung mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt. Bis 2030 sollen 80 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Die Leistung von Windkraftanlagen soll sich bis dahin mehr als verdoppeln und 145 Gigawatt erreichen. Um den dafür notwendigen täglichen Neubau von sechs Windenergieanlagen umzusetzen, sind allein in diesem Wirtschaftsbereich jährlich rund 60.000 Großraum- und Schwertransporte notwendig. Hinzu kommt der für den Wirtschaftsstandort Deutschland unabdingbare Ausbau der Infrastruktur. Dafür sind zigtausend weitere Transporte von Kranen, Baumaschinen, Metall- und Stahlbetonbauteile nötig, um Abriss und Neubau von Brücken, Tiefbau, Wasserbau sowie Wohnungs-und Gewerbebau zu bewerkstelligen.

  • Die Bau-, Abbruch- und Recyclingbranche benötigt ein transparentes, verlässliches und vor allem praktikables System zur Genehmigung und Durchführung von Großraum- und Schwertransporten. Die Genehmigungsprozesse müssen durch neue digitale, standardisierte Verfahren um bis zu 60 % reduziert werden. Terminarbeiten und Prozessketten sind nur mit wesentlich höherer Flexibilität einzuhalten. Neben vereinfachten Genehmigungsverfahren fordern wir bundesweit vereinheitlichte Bedingungen für die Genehmigung und Durchführung von Schwertransporten.

Im Nachgang dieser Veranstaltung werden wir unser Positionspapier der Bundes- und Landespolitik übermitteln. Wir erhoffen uns, dass die Adressaten anhand dieses Positionspapiers erkennen, warum die Branche dringend auf stärkere Unterstützung seitens der Politik angewiesen ist und dass die von uns genannten Forderungen aufgegriffen werden. Wir stehen der Politik selbstverständlich mit unserer Expertise zur Verfügung, denn gemeinsam lassen sich bedarfsgerechte und praxistaugliche Wege finden. Ohne uns geht es nicht, denn es sind unsere Mitgliedsunternehmen, die die dringend benötigte Infrastruktur sanieren und bauen und die ein wirklich nachhaltiges Recycling in Deutschland entwickeln und voranbringen.

 

Text + Bild: Messe Karlsruhe/Jürgen Rösner, Abdruck honorarfrei

 

Social Media

Aktuelle Ausgabe

Anzeige

Bredenoord Contentbanner 325x325 Oktober 2025 (da)

Anzeige

Kässbohrer

Anzeige

TRACTO/Contentbanner 325x325/ Oktober 2024 (tk)

Newsletter

Bleiben Sie stets auf dem Laufenden mit dem Treffpunkt.Bau-Newsletter.

Erfahren Sie brandaktuelle Meldungen aus erster Hand. Zudem erhalten Sie mit der Anmeldung zum Newsletter kostenfreien Zugang zu unserem E-Paper.