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Liebherr // Stresstest für Prototypen im Liebherr-Werk Bad Schussenried
„Die Kunden erwarten einfach mehr von uns“, sagt Klaus Eckert, Leiter Verkaufsförderung im Liebherr-Werk Bad Schussenried. Das entscheidende Plus an Zuverlässigkeit und Langlebigkeit lässt sich jedoch nicht flugs per Gesellschafterbeschluss verordnen oder per Übernacht-Express beim Zulieferer ordern – diese Kardinaltugenden muss der Hersteller seinen Maschinen mühsam selbst anerziehen.
Gespickt mit Hunderten Sensoren und eingesponnen in ein Netzwerk an Datenkabeln von der Mastspitze bis zum Fahrwerk durchlaufen die Autobetonpumpen-Prototypen streng überwachte Testreihen, die bis zu drei Jahre dauern können. Wir haben den Testingenieuren über die Schulter geschaut.
Liebherr spricht von extremen Testreihen für die Betonpumpen. Was wird erprobt?
Rainer Berner: Wir haben ein 1.000 m² großes Testlabor zur Erprobung aller Produkte, die am Standort hergestellt werden. Acht Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Wir betreiben ein extra Elektro- und Betonlabor und einen Hydraulikprüfstand für Tests an Betonpumpen. Neben den Labortests unternehmen wir Praxistests mit kompletten Fahrzeugen unter realen Einsatzbedingungen. Aber auch das Verhalten in Extremsituationen, die über die zugelassenen Belastungen hinausgehen, testen wir. Bis ein Prototyp die Freigabe für die Serienproduktion erhält, hat er eine Testphase von ein bis drei Jahren durchlaufen. Benedikt Stöhr: An den Testfahrzeugen installieren wir etwa 200 Messpunkte. Der CAN-Bus liefert uns viele wertvolle Informationen, darüber hinaus montieren wir Druck- und Längenmesssensoren, erfassen Ströme, Hydraulikdrücke, Temperaturen und Vibrationen. Verwindungen am Chassis ermitteln wir auf Schlechtwegestrecken und wir testen, ob die Kühlung bei extremer Belastung die Wärme abführen kann. Wir arbeiten mit standardisierten Programmabläufen. Die Ergebnisse werden laufend mit dem Technischen Büro abgestimmt. Änderungen sowie Weiterentwicklungen an der Konstruktion oder an Komponenten werden von uns wieder in einem erneuten Testturnus geprüft. Bei einer solch komplexen, hochbelasteten Maschine ist dieser andauernde, große Aufwand nötig, um sicherzustellen, dass im Betrieb kein Bauteil versagt. Auch Maschinen aus der Serienproduktion holen wir im Rahmen des Funktionsverbesserungsprogramms in die Testabteilung. Wenn zum Beispiel ein Zulieferer wechselt, testen wir die neue Komponente an einem Serienfahrzeug auf ihre Eignung. Wir wollen, dass unsere Produkte nicht nur bei der Auslieferung funktionieren, sondern dass sie über lange Zeit zuverlässig ihre Arbeit verrichten. Das Vertrauen unserer Kunden ist ein hohes Gut, das wir uns verdienen müssen.
Wie stellen Sie sicher, dass die Testergebnisse nicht nur auf dem Papier überzeugen, sondern für die Praxis relevant sind?
Benedikt Stöhr: Was im CAD gut aussieht und am Fahrzeug erst mal smart wirkt, kann in der Praxis Tücken haben. Genau aus diesem Grund gehen wir mit kompletten Fahrzeugen raus auf Teststrecken und nutzen sie intensiv im realen Baustelleneinsatz. Wir haben sehr erfahrene Praktiker als Testfahrer und wir holen das Feedback von Anwendern ein, die mit unseren Prototypen teils über Monate arbeiten. Diesen Input unserer Tester und der Endkunden bereiten wir auf und geben die Erfahrungswerte ebenso wie die Messdaten an die Konstruktionsabteilung weiter. Das Handling der Maschinen muss einfach stimmen. Die Bedienung muss intuitiv möglich sein. Das lässt sich im Labor nicht testen. Erst auf der Baustelle, herzhaft vom Anwenderprofi rangenommen, zeigt die Maschine, was sie im Arbeitsalltag leisten kann. Gerade bei der Autobetonpumpe gibt es zahlreiche Parameter, an denen man drehen kann, um einerseits die Erfüllung der Sicherheitsnormen zu gewährleisten, andererseits aber auch die Freude am Umgang mit der Maschine zu fördern und die Effizienz zu steigern. Für uns gilt die Maxime: Die Maschine muss Spaß machen und sich für den Unternehmer rechnen. Dafür nimmt Liebherr viel Geld in die Hand.
Die Autobetonpumpen sind der jüngste Spross der Liebherr-Baumaschinenfamilie. Wie hat der Markt die Maschinen aufgenommen?
Klaus Eckert: Ja, wir sind relativ neu im Pumpenmarkt. 2013 haben wir die Firma Waitzinger übernommen, damit konnten wir auf einem sehr guten Niveau starten. Diese Pumpen, die eher als Einzelstücke gefertigt wurden, haben wir seitdem in ein Serienprodukt umgewandelt und mit Liebherr-Technik ausgestattet. Derzeit fertigen wir etwa 100 Autobetonpumpen pro Jahr. Wir haben die Produktserie konsequent erweitert und sind mittlerweile mit unseren Maschinen in allen relevanten Größenklassen von 24 Metern bis 50 Metern vertikaler Reichweite vertreten. Jetzt sind wir mit ausgereifter Technik, innovativen, einzigartigen Lösungen und einem attraktiven Design an dem Punkt, die Marktdurchdringung voranzutreiben. Für die Zukunft haben wir große Erwartungen, die Weichen dafür sind gestellt.
Der Zeitpunkt scheint schwierig, um durchzustarten und Stückzahlen zu steigern. Spürt Liebherr keine Kaufzurückhaltung?
Klaus Eckert: Ganz klar, auch bei uns sind die Zahlen rückläufig. Wenn nicht gebaut wird, stehen die Maschinen untätig auf dem Hof. In einer solchen Situation investieren die Betonpumpendienste nicht in neue Maschinen. Wir hoffen und rechnen damit, dass die Baukonjunktur in den nächsten zwei Jahren wieder anspringt. Die bauma im kommenden April wird ebenfalls neue Impulse setzen. Zudem sind wir nicht ausschließlich vom deutschen Markt abhängig. Die wichtigsten Märkte für unsere Betonpumpen sind die DACH-Region, generell Westeuropa und auch die USA. In die USA liefern wir allerdings keine kompletten Fahrzeuge, sondern den Pumpenaufbau, der dann dort auf ein amerikanisches Lkw-Chassis montiert und nach Kundenwunsch lackiert wird.
Mit Liebherr-Technik und -Ideen wollen Sie Marktanteile gewinnen. Was haben die Maschinen dem Wettbewerb voraus?
Klaus Eckert: Ein Alleinstellungsmerkmal ist das XXT-Abstützsystem unserer Autobetonpumpen. Vordere und hintere Abstützung sind über einen gemeinsamen Bolzen befestigt. Die immensen Kräfte des Masten gehen direkt in diese Abstützung und belasten nicht das Fahrzeugchassis. Die XXT-Abstützung spart zudem Platz und Gewicht, da die vordere Abstützung in einen Hohlraum des hinteren Arms einfährt. Der größte Vorteil auf den Baustellen, vor allem beim schmalen Abstützen, ergibt sich durch die schwenkbare vordere Abstützung. Die vordere Abstützung lässt sich auch auf der beengten Seite bis vor das Fahrerhaus ausfahren. Dadurch kommt der gesamte Arbeitsbereich vor dem Fahrerhaus hinzu. Selbst beidseitig schmal abgestützt ist das Arbeiten über das Fahrerhaus hinweg möglich.
Eine weitere Besonderheit ist der Liebherr Powerbloc, unsere selbst entwickelte und selbst gefertigte Pumpeneinheit. Wir greifen hier auf das Know-how und die Produktionskapazitäten der Liebherr Komponentenfertigung zurück. Damit ist sichergestellt, dass die Pumpeneinheit zu 100 Prozent unseren Wünschen und Anforderungen an Leistung, Qualität und Haltbarkeit entspricht. Der Powerbloc hat mehrere Besonderheiten, unter anderem gibt es kaum noch außen liegende Schläuche. Er benötigt keinen separaten Steuerblock, da alle hydraulischen Schalt- und Messelemente integriert sind. Durch die Integration sind diese empfindlichen Bauteile optimal vor Beschädigungen geschützt. Die nötigen Hydraulikleitungen sind als starre, stabile Rohre ausgeführt und eng anliegend am Powerbloc verbaut. Im Schadensfall kann der gesamte Powerbloc einfach ausgebaut und gegen ein Austauschaggregat ersetzt werden. Das reduziert die Stillstandzeiten erheblich gegenüber einer kniffligen Reparatur unter beengten Einbauverhältnissen.
Die Hydraulikzylinder im Powerbloc werden elektrisch angesteuert und wissen immer exakt, in welcher Position sie stehen. Defektanfällige Endschalter konnten wir dadurch einsparen. Außerdem können wir durch die elektrische Ansteuerung die Zylinder vor der Endstellung langsamer fahren lassen. Durch diese Endlagendämpfung läuft der Powerbloc besonders geschmeidig. Für die XXT-Abstützung und die Laufruhe der Pumpeneinheit erhalten wir viel positives Feedback von den Kunden. Ein gewichtiges Kaufargument ist auch der Liebherr Service, der weltweit sehr gut aufgestellt ist. Wenn etwas kaputt geht, können wir schnell und kompetent helfen – garantiert. Fest steht aber auch, dass sich Liebherr das Kundenvertrauen bei diesem für uns noch jungen Produkt aufbauen muss. Geschenkt bekommen wir nichts und deshalb investieren wir sehr viel Aufwand in die Tests der Prototypen. In die Serie schaffen es nur ausgereifte Produkte. Schnellschüsse auf Kosten der Qualität, um etwa Marktlücken zu besetzen, sind nicht unser Stil. Gegenwärtig durchläuft ein Prototyp die Erprobungsphase, der nach bestandenen Tests unser Autobetonpumpen-Programm ergänzen und nach oben abrunden wird.
Text: Bernd Mair und Peter Hebbeker
Bildmaterial: Liebherr; Treffpunkt.Bau
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