Kässbohrer Geländefahrzeug // PowerBully: Neue Wege zum Ziel

Wo 4×4 = 0 (Vortrieb) ergibt und Radfahrzeuge ans Ende ihrer Möglichkeiten kommen, beginnt das Reich der PowerBullys, die im schwäbischen Laupheim produziert werden. Von dort aus haben bereits die Kässbohrer Pistenraupen zu Tausenden die Steilhänge der Skigebiete erobert

Wie viel vom Schnee schiebenden PistenBully im Lasten buckelnden PowerBully steckt, wie sich der kaum zu stoppende Offroader auf dem Bau nützlich machen kann und welche Stärken und Schwächen das Fahren auf Ketten gegenüber dem Rollen auf Rädern hat, haben wir Simon Holland, Business Development Manager PowerBully, gefragt.

 

98 % der Fahrzeuge der Kässbohrer Geländefahrzeug AG gehen in den Export. Gefertigt wird ausschließlich in Laupheim. Welche Standortvorteile sprechen für diese Entscheidung?

Simon Holland: Wir beziehen einen Großteil der Komponenten traditionell von regionalen Zulieferern. Viele der verbauten Komponenten wurden in Zusammenarbeit mit uns speziell entwickelt. Aufgrund der hohen Qualitätsansprüche unserer Kunden werden wir an diesem bewährten Konzept nichts ändern. Auch die weltweite Versorgung mit Ersatzteilen erfolgt hier von Laupheim aus. Unser neues vollautomatisiertes Kleinteilelager hat die Logistik nochmals enorm beschleunigt. Und, ganz wichtig, hier am Standort arbeiten über 500 Fachkräfte, deren Know-how, Erfahrung und Leidenschaft für das Thema in jedem Fahrzeug stecken. Kässbohrer ist fest verwurzelt in seiner Heimat, so eine gewachsene Struktur lässt sich nicht einfach verpflanzen.

 

Wo sind die PowerBullys bereits im Einsatz?

Simon Holland: Den PowerBully 18T, mit 16,6 Tonnen Nutzlast unser größtes Fahrzeug, vertreiben wir seit 2019 mit großem Erfolg vor allem in den USA. Dort wird er beispielsweise häufig zur Stromtrassenpflege in schwer zugänglichen, sumpfigen Gebieten eingesetzt. Die kleineren Modelle PowerBully 9D und 12D bzw. 9C und 12C haben wir neu auf der bauma 2022 vorgestellt. Mit deutlich kompakteren Abmessungen, aber stattlichen 7,5 bis 13,2 Tonnen Nutzlast sind diese Fahrzeuge gezielt auch auf die Ansprüche der europäischen Kunden zugeschnitten. Die neuen Modelle durchlaufen derzeit die finalen Tests.

Die ersten Maschinen sind viel unterwegs auf Messen und Vorführungen und erfahren international großes Interesse. Wir treffen hier gegenüber unseren Pistenraupen und Strandreinigungsfahrzeugen auf eine neue Klientel. Das ist spannend und regt immer wieder zu neuen Ideen an. Im Herbst startet dann die Serienproduktion der PowerBullys 9 und 12, wobei das „D“ für Dumper steht und das „C“ für Chassis, also für Geräteträger, die vorbereitet sind für weitere Aufbauten wie z. B. einen Kran oder einen Abrollkipper. Wir arbeiten hier beispielsweise mit Palfinger zusammen.

 

Die Namensähnlichkeit zwischen PowerBully und PistenBully ist sicherlich kein Zufall. Wie profitiert der PowerBully von Kässbohrers Erfahrungen mit kettengetriebenen Geländefahrzeugen?

Simon Holland: Bei der Entwicklung des PowerBully haben wir uns vor allem an den Einsatzzwecken und den Bedürfnissen der Anwender orientiert. Der PistenBully schiebt Lasten, der PowerBully trägt Lasten. Allein daraus ergeben sich wesentlich andere Anforderungen an die Konstruktion. Die Erfahrung der Kässbohrer Geländefahrzeug AG spielt natürlich eine große Rolle, vor allem, was die erstklassigen Qualitätsstandards aller unserer Produkte betrifft. Beim PowerBully sind wir aber bewusst neue Wege gegangen.

Wir wissen um einige zentrale Punkte, die bei anderen Konstruktionen regelmäßig auf Kritik stoßen. Da haben wir angesetzt und Vorteile geschaffen, von denen die Anwender bei jeder Fahrt profitieren. So arbeiten wir beim Fahrwerk mit besonders großen Laufrädern, die die Fahreigenschaften spürbar beruhigen. In Verbindung mit der gefederten Kabine und dem luftgefederten Sitz bietet der PowerBully einen für diese Fahrzeugklasse außergewöhnlich komfortablen Arbeitsplatz. Zum angenehmen Arbeitsklima trägt auch der äußerst niedrige Geräuschpegel in der Kabine bei. Wir haben bis zu 10 dB(A) weniger gemessen als bei vergleichbaren Fahrzeugen. Die besonders kräftige Motorisierung  unserer PowerBullys mit 235, 285  bzw. 310 PS beim 9er, 12er und 18er Modell sorgt für Souveränität und Sicherheit im Grenzbereich, was den Fahrer entlastet und ihn in fordernden Fahrsituationen nicht zusätzlich stresst. Ein weiterer Vorteil ist die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit, die die PowerBullys in der Praxis erreichen. Aufgrund der ausgewogenen Fahreigenschaften sind unsere Fahrzeuge im Gelände auf Dauer schneller unterwegs, auch wenn die Höchstgeschwindigkeiten auf dem Papier sehr ähnlich sind. Über den Tag, den Monat, das Jahr gerechnet, machen 3 oder 4 km/h mehr einen beträchtlichen Unterschied. Oder anders: Mit mehr Fuhren in der gleichen Zeit erzielen die PowerBullys eine höhere Profitabilität, wenn es um das Verbringen von Schüttgütern geht. Radfahrzeuge sind auf geeignetem Untergrund selbstverständlich nochmals flotter unterwegs. Im harten Offroadeinsatz, abseits von Straßen und Wegen, sind die PowerBullys in der Summe ihrer Eigenschaften jedoch unschlagbar nützlich. Wir bieten in den jeweiligen Gewichtsklassen Spitzenwerte bei Nutzlast und Muldenvolumina.

 

Im Vergleich zu den USA ist Europa ein Kettendumper-Entwicklungsland. Welche Gründe hat die Zurückhaltung der Bauunternehmer, sich solch ein Fahrzeug anzuschaffen?

Simon Holland: Wir gehen davon aus, dass der Markt in Europa in den kommenden Jahren deutlich wachsen wird. Unsere Aufgabe ist es, die Vorteile der Kettenfahrzeuge an konkreten Einsatzbeispielen zu zeigen. Heute wird oft noch mit teilweise abenteuerlichen Provisorien gearbeitet, wenn z. B. Baufahrzeuge mit großen Seilwinden und brachialer Gewalt zu ihren Einsatzorten gezogen werden, weil sie in dem weichen Untergrund versumpfen. Auch das aufwendige Anlegen temporärer Baustraßen kann man sich mit Kettenfahrzeugen oftmals sparen. Das ist z. B. beim Warten von Windkraftanlagen ein regelmäßiges Thema, wenn die für den Aufbau angelegten Transportwege wieder zurückgebaut werden mussten.

Gesteigertes Interesse an unseren PowerBullys herrscht auch im Gleisbau, denn sobald die ersten Gleisschichten gelegt sind, kann die Kiesschicht nicht mehr mit Räderfahrzeugen befahren werden. Wasserbau ist ein weiteres Gebiet, für das unsere Kettenfahrzeuge aufgrund ihrer Traktionsvorteile sowie einer überragenden Wattiefe von bis zu 1,35 Metern verstärkt eingesetzt werden. Klar ist aber auch, dass Kettenfahrzeuge wie der PowerBully ein Nischenprodukt für Spezialeinsätze bleiben werden. Besonders attraktiv für Bauunternehmer ist daher die auftragsbezogene Miete dieser Fahrzeuge.

 

Die PistenBully-Betreiber können in den Skiregionen auf ein dichtes Servicenetz vertrauen. Wer wird sich um die PowerBullys kümmern?

Simon Holland: Mit Start der Serienproduktion im Herbst werden wir unser eigenes PowerBully Serviceteam hochfahren. Zusätzlich ist es unser Ziel, neue Vertriebs- und Servicepartner zu gewinnen. Auch in unseren anderen Produktbereichen, beim PistenBully und bei BeachTech, arbeiten wir seit Jahrzehnten eng mit Händlern zusammen. Es gibt einige Märkte, wo es durchaus Sinn macht, den PowerBully-Service in die Verantwortung von PistenBully-Händlern zu legen. Aber prinzipiell bewegen wir uns hier in zwei Welten – auch die Fahrzeuge haben weniger gemein, als man auf den ersten Blick vielleicht denken könnte. Wir werden also ein eigenes PowerBully Händlernetzwerk aufbauen, um unseren Kunden den bestmöglichen Service vor Ort zu bieten. Gerade in der Baubranche spielen kurze Reaktionszeiten, prompte Verfügbarkeit von Ersatzteilen und erfahrene Mechaniker eine entscheidende Rolle.

 

Die Einsatzgebiete des PowerBully liegen häufig in (zuvor) unberührter Natur. Was unternimmt die Kässbohrer Geländefahrzeug AG, um den ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten?

Simon Holland: Da der PowerBully mit seinem extrem niedrigen Bodendruck von 0,17 kg/cm² auch auf Wiesen oder in Mooren keine künstlichen Wege benötigt, entfällt in vielen Fällen das Anlegen temporärer Baustraßen. Allein das reduziert den Footprint solcher Einsätze erheblich. Die Frage nach Elektroantrieben kommt in diesem Zusammenhang häufig auf. Diese auf eine Ladeinfrastruktur angewiesene Antriebsart ist aber bei den meist sehr abgelegenen Einsatzorten unserer Fahrzeuge keine sinnvolle Alternative. Zudem würden ausreichend große Akkupacks die Nutzlast drastisch reduzieren. Aus ähnlichen Gründen verbietet sich auch der Einsatz von Wasserstoffmotoren oder anderen alternativen Antrieben. Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit stehen an erster Stelle und da sind die von uns verwendeten Cummins Dieselmotoren unschlagbar. Ab Werk liefern wir unsere Fahrzeuge betankt mit HVO-Kraftstoff aus, der das Potential hat, den CO2-Ausstoß um 90 Prozent zu verringern.

 

Im Bereich Pisten- und Loipenpflege sieht sich die Kässbohrer Geländefahrzeug AG weltweit als Marktführer. Wo soll sich der PowerBully positionieren?

Simon Holland: Aufgrund des Klimawandels und den daraus folgenden globalen Veränderungen schaffen wir uns nach den gut etablierten BeachTech Strandreinigern nun mit dem PowerBully ein drittes Standbein abseits des Wintersports. Der Schneemarkt ist kein Wachstumsmarkt. Der Verdrängungswettbewerb wird sich in Zukunft noch verschärfen. Der Markt bei Kettennutzfahrzeugen ist zwar auch ein Nischenmarkt – aber er wächst. Wir sind überzeugt, dass die PowerBullys mit Top-Qualität, jeweils klassenbester Nutzlast, überlegenen Fahreigenschaften, hohem Fahrerkomfort und exzellenter Profitabilität einen guten Teil vom Kuchen dieses Wachstumsmarkts erobern können. Unsere Entwickler arbeiten derzeit bereits an Produktneuheiten, die sich an den Rückmeldungen aus dem Markt orientieren und eng auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten sind.

 

Anwendungsgebiete PowerBully

  • Freileitungsbau
  • Baubranche
  • Öl- und Gaspipelines
  • Bergbau
  • Windkraftanlagen
  • Bekämpfung von Waldbränden
  • Katastrophenschutz
  • Skigebiete

 

Steckbrief PowerBully

  • Kettengetriebenes Geländefahrzeug mit extrem niedrigem Bodendruck
  • Transportiert Personen, Material und Geräte an Einsatzorte, die mit Radfahrzeugen nicht erreicht werden können
  • Verfügbar ab Werk als Chassis/Geräte­träger (C) oder mit Kippmulde (D)
  • Hohe Nutzlast (über 16 t beim PowerBully 18T)
  • Einfacher Aufbau vielfältiger Arbeitsgeräte und Aufbauten
  • Bodendruck 0,17 kg/cm² (Lkw: 6 kg/cm²)
  • Hohe Traktion dank Heckkantrieb
  • Wattiefe über 1,35 m
  • Höchstgeschwindigkeit 14,5 km/h
  • Steigfähigkeit 60 % bergauf/bergab; 40 % seitwärts

 

 

Text- und Bildmaterial: David Kern und Peter Hebbeker/Treffpunkt.Bau

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