Moba – Die papierlose Straßenbaustelle

Eine Bestandsaufnahme: Im Straßenbau wird heute meist noch mit lageorientierter Trassenplanung sowie Längs- und Querprofil gearbeitet. Dabei entstehen die z. T. sehr großen 2D-Pläne mit Höhenangaben, ergänzt um die erforderlichen Profile. Es folgen auf den meisten Baustellen statische Absteckungen, da noch nicht für alle Erdbauarbeiten Baumaschinensteuerungen eingesetzt werden. Die Bauausführung ist ohne vorbereitende und kontrollierende Vermessungsarbeiten nicht möglich.

Diese Vermessungsarbeiten gelten gemäß VOB als Nebenleistungen. Das bedeutet, sie sind für die Leistungserstellung auf der Baustelle zu erbringen, der Auftragnehmer erhält dafür jedoch keine gesonderte Vergütung. Die Reduzierung von Nebenleistungen führt also zu einem Kosten- und Zeitvorteil. Das ist auch in Zeiten des Fachkräftemangels von Bedeutung, bedeutet dies doch eine wichtige Aufwandsreduzierung für die „knappen“ Geodäten.

Auf größeren Straßenbaumaßnahmen findet man Baumaschinensteuerungen unterschiedlicher Ausprägung. Verbreitet sind heute semi-automatische Raupen- bzw. Gradersteuerungen und Führungssysteme für Bagger – semi-automatische Baggersysteme sind noch selten. Da diese auch hier nicht für jeden Arbeitsschritt zum Einsatz kommen, ist die Übertragung der Planvorgaben in die Örtlichkeit durch Absteckungen noch notwendig. Aber sie werden inzwischen zunehmend von einer kinematischen Absteckung mittels Baumaschinensteuerung verdrängt.

Das Ziel für die Zukunft ist die „papierlose“ Baustelle

Alle relevanten Daten, Informationen und Unterlagen werden nur noch digital und damit viel schneller ausgetauscht. Der große Vorteil liegt in der ständigen und verlässlichen Aktualität. Die Grundlage bildet ein einheitliches, von allen Beteiligten genutztes, bauteilorientiertes 3D-Modell, genannt „digitaler Zwilling“. Er enthält alle geometrischen sowie semantischen Informationen eines Bauteils, einer Schicht bzw. eines Erdkörpers und wird über den gesamten Lebenszyklus von Erstellung, Erhaltung, Verwaltung und abschließend Rückbau in einer kollaborativen Arbeitsweise genutzt. Offene Schnittstellen und herstellerunabhängige, standardisierte Formate ermöglichen einen verlustfreien Datenaustausch und vermeiden gleichzeitig das heute noch häufige Neuerstellen von Plänen, manuelle Neueingaben und dabei lauernde Fehler. Ein solches standardisiertes Datenmodell hat die internationale Organisation buildingSMART mit den Industry Foundation Classes (IFC) geschaffen.

Wie lässt sich das in die Praxis umsetzen? Die Baumaschinensteuerung nimmt in der Ausführungsphase kontinuierlich die Ist-Geometrie des Schichtenaufbaus, der Erdkörper und weiterer Bauteile auf. Die so gelieferten Messpunkte bekommen automatisch den im Planmodell vorgesehenen Klassifizierungscode zugewiesen. Bei der automatisierten Zuordnung (gemäß dem erprobten Prinzip des codierten Aufmaßes) können eigene unternehmens- bzw. baustellenspezifische Codierungssysteme verwendet oder später nach IFC Release 5 entsprechend erstellt werden. Solange letzteres noch nicht bereitsteht, bietet sich auch das umfassende, finnische InfraBIM Classification System YIV 2019 an mit über 600 Codes und Bezeichnungen.

Baufortschrittskontrolle, Zwischen- sowie Endabrechnung und Datenbereitstellung für den digitalen Zwilling werden so vereinfacht und beschleunigt. Untersuchen haben eine Gesamtkostenersparnis bei einer Baumaßnahme von 17 % ermittelt. Nach Abzug der eigentlichen Ausführungszeit, die in der konventionellen und der maschinensteuerungsgestützten Methode gleich ist, beträgt die Zeitersparnis bei den übrigen Baustellenarbeiten sogar 46 %. Sicherheit für richtige Messungen bietet ein Konzept von Qualitätsmessungen. Diese erfolgen täglich durch den Baumaschinenfahrer selbst als auch wöchentlich durch den Baustellenvermesser. Zusätzlich können zusammen mit dem Auftraggeber Kontrollmessungen vorgenommen werden. Durch eine gemeinsame Feststellung der erbrachten Bauleistung durch Auftraggeber und Auftragnehmer werden spätere Unstimmigkeiten vermieden.

Dieses Qualitätskonzept garantiert, dass der Vermesser weiter die Genauigkeit sicherstellt und überwacht, ohne dabei seine Zeit für einfache Routineaufgaben zu verbrauchen. Das Konzept ist vergleichbar mit dem der Bohrkerne beim Deckeneinbau. Alle Messergebnisse – von der Ist-Aufnahme durch die Maschinensteuerung bis hin zu den Qualitätsmessungen durch den Baustellenvermesser – werden in einer Cloud-Plattform für alle Beteiligten einsehbar dokumentiert. Große Auftraggeber, wie die DEGES oder die Deutsche Bahn, haben in ihren BIM-Regelwerken bereits die Leistungserfassung durch vernetzte Baumaschinensteuerungen mit einer direkten Übernahme in die 3D-Modelle zugelassen. Sie soll dann als Grundlage zur Abrechnung dienen, ohne eine zwingende persönliche und gemeinsame Feststellung vor Ort. Selbst wenn noch keine rechtliche Regelung für eine digitale gemeinsame Feststellung existiert, wird hiermit der grundsätzliche Rahmen dafür geschaffen. Zusätzlich gilt ja das Prinzip der Vertragsfreiheit, sprich, es gilt, sich mit dem Auftraggeber vorab auf diese Leistungserfassung zu verständigen.

In der Praxis ist rein digital bauen, erfassen, prüfen, abrechnen und dokumentieren, ganz ohne Papier, schon jetzt möglich. In Skandinavien, insbesondere in Finnland, wird diese kontinuierliche „volumenorientierte Baufortschrittkontrolle“ erfolgreich praktiziert. Das modellbasierte Aufmaß und Abrechnung mit vernetzter Baumaschinensteuerung ist dort bereits Standard auf allen größeren Infrastrukturmaßnahmen.

Einige Beispiele aus der Praxis

Bei einer 1,2 km langen Landstraße konnten rund 410 Stunden an Vermessungsaufwand und 7.600 gefahrene Kilometer gegenüber der traditionellen Vorgehensweise eingespart werden.
Bei einem 4,5 km langen Teilabschnitt einer Umgehungsstraße wurde der Vermessungsaufwand mit Einsatz des modellbasierten Arbeitens rund halbiert (vgl. die vorab beschriebenen Untersuchungen).
Bei dem 74 km langen Ausbau der Bahnstrecke Helsinki–Riihimäki wurden bisher 20 % der veranschlagten Baukosten eingespart.

In Deutschland wird im Straßenbau das Datenmodell mit dem IFC Release 5 eingeführt. Damit scheinen erst einmal weiter die erprobten 2D-Methoden auf Basis eines Lage- und Höhenplans zur Verfügung zu stehen, auf deren Grundlage die digitalen 3D-Geländemodelle erstellt werden. Doch auch hier gab es bereits ein Pilotprojekt zur Erprobung der modellbasierten Arbeitsweise. Das 3D-Modell wurde mittels Codierung untergliedert, innerhalb einer Cloud-Plattform für alle Maschinen verfügbar gemacht und anschließend durch den Einsatz von Baumaschinensteuerungen in einem vernetzen Arbeitsablauf bearbeitet und fertiggestellt.

Die Vorteile für Auftragnehmer und -geber bei dieser zukunftsweisenden Methode liegen auf der Hand: Eine schnelle Informationsverfügbarkeit in der Baufortschrittskontrolle wird ermöglicht – in Echtzeit. Dadurch lassen sich während der Bauausführung schneller Probleme oder Fehler erkennen und vermeiden. Nacharbeiten reduzieren sich. Durch die teilautomatisierte Leistungserfassung mittels Baumaschinensteuerung reduzieren sich Vermessungsaufwand und -kosten deutlich. Durch die Zeiteinsparung beim Vermesser als auch bei der Bauausführung durch weniger Nacharbeiten wird dem Fachkräftemangel begegnet.

 

Text und Abbildungen: Moba Construction Solutions

Anzeige

Kubota Banner April 2024

Anzeige

Rototilt Banner April 2024

Anzeige

Kurt König Banner März und April 2024 (ms)

Anzeige

Sensorlösungen für mobile Arbeitsmaschinen

Anzeige

Igus Banner April-Mai 2024

Anzeige

Schwamborn Banner April bis Mitte Mai 2024

Social Media

Aktuelle Ausgabe

Anzeige

VTS Verhoeven Banner April 2024

Anzeige

Steelwrist Banner März und April 2024 (bm)

Newsletter

Bleiben Sie stets auf dem Laufenden mit dem Treffpunkt.Bau-Newsletter.

Erfahren Sie brandaktuelle Meldungen aus erster Hand. Zudem erhalten Sie mit der Anmeldung zum Newsletter kostenfreien Zugang zu unserem E-Paper.